Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
das?«
    »Konrad«, erwiderte diese. »Was machst du hier?«
    In der Dunkelheit zeichnete sich ein sehr dünner Mann ab. Die Mulden in seinen Wangen und Schläfen waren so tief, als hätte sie jemand mit einem Löffel ausgehöhlt. »Ich habe auf dich gewartet. Schon seit Stunden. Wo warst du? Und wer ist dieser Mann?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Ich habe dir ein Gedicht geschrieben«, sagte Konrad, kniete sich hin und entfaltete ein Stück Papier. »Es heißt ›Nachtbrand‹ und handelt von uns.«
    Igraine riss ihm das Papier aus der Hand und sagte: »Ich lese es später. Jetzt möchte ich, dass du gehst.«
    Konrad kam auf die Beine und schwankte leicht. »Igraine, ich –«
    »Ich will das nicht hören«, sagte sie. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mir nicht mehr nachstellen sollst? Hundertmal? Ich will nicht, dass du mich weiter verfolgst. Wann begreifst du das endlich? Jetzt geh! Verschwinde!«
    Tatsächlich zog sich Konrad zurück. Er stolperte davon, mit gesenktem Kopf, mit hängenden Schultern, bis seine Schritte verhallten.
    »Keine Sorge«, sagte Igraine. »Der kriegt sich wieder ein.«
    Mitleid war nicht das Gefühl, das sich in Otto gerade regte. Vielmehr dachte er an das Nacktporträt von Wilhelm Maharero und an die Worte von Professor von Trittin, der gesagt hatte, dass die Künstlerin Igraine Raab jeden ranlassen würde. Und jetzt hatte ein weiterer Liebhaber ein Gesicht und einen Namen erhalten. Wer konnte schon wissen, was sonst noch ans Tageslicht kam?
    Igraine hatte ihn beobachtet und sagte: »Glaub nicht alles, was die Leute über mich erzählen. Viele Männer fürchten mich, weil ich einen Beruf ausübe, weil ich mein eigenes Geld verdiene und weil ich mich nicht bevormunden lasse. Am besten treffen wir eine Abmachung und halten es in Zukunft so: Ich frage dich nicht nach deiner Vergangenheit, und du fragst mich nicht nach meiner Vergangenheit.«
    »Moment mal –«, sagte Otto und wollte protestieren, aber er kam nicht weit.
    »Es war heute schön bei dir«, sagte Igraine, strich ihm zärtlich über die Wange und trat durch das Tor auf das Grundstück.
    Otto blickte ihr nach, bis sie von der Dunkelheit verschluckt wurde. »Wenn das kein fairer Handel ist«, murmelte er und machte sich auf den Heimweg.
    Potsdamer Straße
    Als die Zugklingel ertönte, war der Commissarius sofort hellwach. Er rückte seine Nachtmütze zurecht, schlug die Bettdecke zurück und schlüpfte in seine marokkanischen Babouchen. Nachdem er zum Fenster gegangen war, schob er den Vorhang zur Seite. Das graue Morgenlicht blendete ihn. Dann öffnete er die Läden und lehnte sich so weit nach draußen, dass er das Trottoir vor dem Eingangsbereich sehen konnte. Unten standen Wachtmeister Holle und der Kriminalschutzmann Stresow.
    » Je ne vous attendais pas si vite «, rief Funke leise, um seine Nachbarn nicht zu wecken. »Guten Morgen, meine Herren. Was führt Sie zu so früher Stunde her?«
    »Im Tiergarten wurde ein Leichnam gefunden«, erwiderte Kriminalschutzmann Stresow, »den Sie sich ansehen sollten.«
    »Sind Sie auch der Meinung?«, fragte der Commissarius an den höherrangigen Holle gewandt, der eigentlich hätte sprechen müssen, aber aus irgendeinem Grund nur herumstand.
    »Der Mann wurde zugerichtet wie der Tote im Zoologischen Garten«, sagte Stresow.
    »Mon Dieu!«, rief der Commissarius. »Kennt man schon seine Identität?«
    »Es handelt sich um den Bankier Frankfurter«, erwiderte Stresow. »Er hatte Papiere bei sich.«
    »Wieder ein Jude! Wer hat den Toten gefunden?«
    »Der Kollege Holle«, erwiderte Stresow.
    »Was hatte Holle zu dieser Stunde im Tiergarten zu suchen?«
    »Das müssen Sie ihn schon selber fragen.«
    Holle machte nicht den Eindruck, als wäre er in der Lage, irgendwelche Erklärungen abzugeben. Während der Commissarius nachdachte, schaute er auf die Straße, wo das Fuhrwerk eines Abdeckers vorüberrumpelte, auf dessen Ladefläche mehrere Pferdekadaver lagen. Dann folgte ein Wagen der Meierei C. Bolle, auch Bimmelbolle genannt, wohl auf dem Weg nach Schöneberg, um Milch zu verkaufen.
    »Stresow«, sagte der Commissarius schließlich. »Ich möchte, dass Sie den Gerichtsarzt aufsuchen. Sie wissen ja, wo Dr. Gessken wohnt. Führen Sie ihn unverzüglich zum Fundort. Ich möchte wissen, ob wir es wirklich mit demselben Täter zu tun haben. Also los! Und Sie, Holle, Sie warten da unten. Ich bin gleich bei Ihnen, und dann möchte ich wissen, was Sie im Tiergarten zu suchen

Weitere Kostenlose Bücher