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Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman

Titel: Mord im Tiergarten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Planung des ersten Mordes beteiligt gewesen. Vielleicht war das ein Ansatzpunkt, um die Selbstsicherheit Walter Leisers zu erschüttern. Vielleicht konnte er ihn auch einfach ablenken.
    »Warum haben Sie Trittin entführt?«, fragte Otto. »Er ist ein Antisemit wie Sie.«
    »Das war er noch vor einer Woche«, erwiderte Leiser. »Mittlerweile hat er sich mit dem jüdischen Bazillus angesteckt. Er ist in die Wohnung eines reinen Wesens eingedrungen und hat unsittliche Handlungen vorgenommen. Ich habe ihn dabei beobachtet. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn es zum Äußersten gekommen wäre und er sie befleckt hätte.«
    »Hat Trittin die Morde in Auftrag gegeben?«
    »Es gab eine Zeit, da habe ich auf ihn gehört, da war er ein Vorbild an germanischen Tugenden, aber jetzt ist er nichts als ein Opfer der Verschwörer. Der Tod wird ihn reinigen.«
    Plötzlich warf Leiser den Kopf nach hinten und riss die Augen auf. Moses machte einen furchterregenden Eindruck, als er mit gezücktem Bowie-Messer heranstürmte. Auf seinem nackten dunklen Leib spiegelte sich der Feuerschein. Die weißen Augäpfel leuchteten in seinem schwarzen Gesicht.
    »Keinen Schritt näher«, schrie Leiser, »sonst stirbt die Frau.«
    Otto begriff, dass auch der Überraschungsangriff seines Leibdieners gescheitert war. »Es ist gut, Moses«, sagte er. »Komm zu mir. Am besten außen rum. Herr Leiser, Sie können Igraine Raab nicht töten. Sie ist Ihre Walküre und soll Sie nach Walhall geleiten.«
    »Sie ist ein Geistwesen, das mir zur rechten Zeit und am rechten Ort erschienen ist. Ob ich ihre irdische Hülle töte, macht für mich keinen Unterschied, für Sie hingegen schon.«
    Otto verstand nicht, was der Mann meinte, aber das musste er auch nicht mehr, denn er hatte mittlerweile genügend Zeit gehabt, um Walter Leisers Körpersprache zu deuten. Obwohl der Hausmeister in der besseren Verhandlungsposition war, zeigte er nicht die geringsten Anzeichen von Angriffslust. Vielmehr zog er den Kopf und die Schultern zurück, als würde er es kaum abwarten können, von diesem Ort zu fliehen.
    Otto musste an seine eigenen Worte bei dem Gespräch im Café Bauer denken: »Die letzte Gewalttat eines wahnhaften Melancholikers richtet sich zumeist gegen sich selbst.« Zu diesem Zweck lag das Boot an dem Anleger, denn in der nordischen Sagenwelt war Odins Wohnort, Gladsheim, von einem Strom umgeben, der Thund, der Angeschwollene, hieß. Ihn mussten die Gefallenen überqueren, um nach Walhall zu gelangen.
    »Moses«, sagte Otto und beobachtete Walter Leiser genau. »Geh zum Boot und bring es zum Kentern.«
    »Natürlich, Otto«, erwiderte sein Leibdiener. »Wenn du es so willst.«
    »Wage es nicht!«, schrie der Hausmeister. »Zurück! Keinen Schritt weiter!«
    »Warte noch«, sagte Otto, der trotz der schlechten Lichtverhältnisse beobachtet hatte, wie das Blut schlagartig aus dem Gesicht des Hausmeisters gewichen war und eine gespenstische Blässe zurückgelassen hatte, die auf eine starke Panikattacke schließen ließ. »Ich schlage Ihnen einen Handel vor, Herr Leiser. Sie liefern uns Professor von Trittin und Igraine Raab aus, und wir überlassen Ihnen das Boot.«
    »Trittin können Sie haben, aber die Frau kann ich Ihnen nicht geben.«
    »Herr Leiser«, sagte Otto, der sich das stärkste Argument für den Schluss aufbewahrt hatte. »Igraine Raab kann nicht Ihre Walküre sein.«
    »Und warum nicht?«
    »Igraine Raab hat jüdisches Blut in sich.«
    »Das ist unmöglich«, sagte der Hausmeister. »Igraine ist ein keltischer Vorname. Die Mutter von König Artus heißt so. Und ›Raab‹ ist nur eine Abkürzung für den Vogel Rabe, der in der nordischen Mythologie für Weisheit steht. Odin hat zwei Raben, die ständig über die Erde fliegen, um ihm hinterher von den Neuigkeiten zu berichten. Sie heißen Hugin und Munin.«
    »Das mag alles sein«, erwiderte Otto. »Das ändert aber nichts an den Tatsachen. Fragen Sie Igraine Raab, wie ihre Mutter vor der Hochzeit mit ihrem Vater hieß.«
    »Meine Mutter hieß Sarah Rosenbaum«, sagte Igraine. »Aus Liebe zu meinem Vater konvertierte sie zum Christentum und ließ mich taufen. Als junges Mädchen verschlang sie zahlreiche Bücher über die Artuslegende, und so erklärt sich mein Vorname.«
    »Da sehen Sie es«, sagte Otto. »Nach dem rassentheoretischen Ansatz von Eugen Dühring ist sie eine Halbjüdin. Sie kann unmöglich eine germanische Walküre sein.«
    Am Bootsanleger
    Walter Leiser war

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