Mord in Der Noris
noch drei Tassen von diesem hervorragenden Kaffee haben.«
»Ach, das ist jetzt auch schon egal. Ob eine oder vier
Tassen, das macht keinen Unterschied. Damit kannst du mich nicht erpressen.
Aber so wie es aussieht, hast du ein Problem mit deinem Alter. Das ist mir
bisher an dir gar nicht aufgefallen, das muss neu sein.«
»Da gibt’s auch nichts aufzufallen, weil ich überhaupt
kein Problem mit meinem Alter habe«, sagte sie eine Spur zu heftig, als dass
ihre Antwort glaubwürdig gewesen wäre. »Ich sehe lediglich den Sinn von diesen
Geburtstagsfeiern nicht mehr. Warum muss man an einem x-beliebigen Tag im Jahr,
an dem man zufällig auf die Welt gekommen ist, fröhlich sein? In meinen Augen
ist das die pure Willkür. Und überhaupt: Was gibt es da zu feiern? Wer meint,
unbedingt was feiern zu müssen, kann das an jedem anderen Tag im Jahr genauso
gut machen, wenn ihm danach zumute ist. Das muss doch nicht ausgerechnet an
diesem speziellen Tag sein. Ich find das albern und …«
»Spießig«, ergänzte Heinrich ihren Standardsatz in
Situationen wie dieser.
»Ganz genau.«
»So etwas hatte ich mir schon gedacht. Weil man so gar
nichts von dir gehört hat, wo und wann die große Feier steigt.«
»Da steigt auch keine Feier, weder eine große noch
überhaupt eine.«
»Soso. Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so
sicher. Es wird auf jeden Fall schon fleißig gesammelt für ein Geschenk, und
die Leute wollen für ihr Geld auch etwas haben. Eben eine Feier, die eines
runden Geburtstages würdig ist.«
»Das werd ich unterbinden. Sowohl das Geschenk als
auch die Feier. Du kannst schon mal die Sammelei stoppen, damit würdest du mir
einen großen Gefallen tun. Wenn du schon was tun willst für mich.«
»Mensch, Paula, sei doch nicht so stur. Komm, wir
machen uns ein paar nette Stunden an deinem Ehrentag.«
»Kommt nicht in Frage, ich will einfach meine Ruhe
haben an diesem Tag. Das ist ja wohl nicht zu viel verlangt. Wenn es schon ein
Ehrentag sein soll, dann kann man den doch so verbringen, wie man möchte.«
»Nein, kann man eben nicht.«
»Und ausgerechnet du sagst, ich sei stur?«
»Ja, vielleicht bin ich da stur.«
Nach einer Weile setzte er süffisant hinzu: »Ich habe
nämlich auch schon ein Geschenk für dich im Auge. Du wirst begeistert sein. Ich
verrate nur so viel: Es ist etwas, was deinem Meublement einen wirklich kecken
Pfiff, den letzten Pfiff sozusagen verleihen wird. Etwas, was du insgeheim
schon immer haben wolltest, wozu dir aber bisher der Mut fehlte.«
Da musste sie wieder lachen. Vielleicht hatte Heinrich
doch nicht unrecht, und es würde gar nicht so schlimm werden? Nein, nein, war
sie schließlich überzeugt, es würde genauso furchtbar werden, wie sie es sich
bisher ausgemalt hatte. Bei Heinrich musste man gut aufpassen, er war ein
Meister darin, die Leute gegen ihren Willen herumzukriegen. Das wollte sie
nicht. Sie blieb bei ihrem Entschluss, daran gab es nichts zu rütteln.
Als sie den Gang zu ihrem Büro entlangliefen, hörte
sie ihr Telefon klingeln. Sie rannte die letzten Meter, riss die Tür auf und
nahm den Hörer ab. Es war Frieder Müdsam.
»Gut, dass ich dich doch noch erwische. Mir ist ein
dummer Fehler passiert, Paula. Ich mach das nicht mehr, mich so früh, noch vor
der chemisch-toxikologischen Untersuchung, festzulegen. Das war das letzte Mal.
Also, alles wieder retour: Die Tote weist nicht nur tödliche Stichverletzungen
auf, sondern tödlich war auch etwas anderes: Sie ist vorher noch vergiftet
worden. Ich habe sie gestern Abend obduziert und dabei Spuren von
Thalliumsulfat entdeckt …«
»Was? Ein Giftmord, das hatte ich ja lang nicht mehr,
Giftmorde sind doch ganz aus der Mode gekommen«, unterbrach sie ihn vorschnell.
»Stimmt, mein letztes Giftopfer liegt auch schon Jahre
zurück. Auf jeden Fall war das Thalliumsulfat bei der Toten in einer
Konzentration nachweisbar, die absolut tödlich ist. Ich hätte eigentlich schon
früher draufkommen müssen. Hast du ihre Haare gesehen? So schütteres Haar, wie
es das Opfer hatte, kann ein typisches Zeichen dafür sein, dass jemand mit
Thalliumsulfat vergiftet wurde. Die Stichwunden sind ihr erst später, nach der
Vergiftung, zugefügt worden. Hätten aber auch, unabhängig von dem Gift, ihren
sicheren Tod bedeutet.«
»Kannst du in etwa sagen, welcher Zeitraum zwischen
Tat eins und Tat zwei liegt? Also: Wann hat man sie vergiftet?«
»Das, Paula, ist sehr, sehr schwer. Da möchte ich mich
lieber nicht
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