Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
Vom Netzwerk:
ohne
Ressourcen, weil es …«
    »Ich weiß, was ein Lob ohne Ressourcen ist«, sagte sie
so ungehalten wie unaufrichtig.
    »Ja, natürlich. Ich will damit auch nur sagen: Wenn
Sie mich mal gelobt haben, dann hatte ich schon den Eindruck, Sie meinen es …«
    »Und dann haben Sie sich gedacht«, unterbrach Paula
schließlich diesen wortreichen Erguss, dem zudem am Schluss noch eine Kostprobe
von Eva Brunners Lieblingslektüre »Psychologie heute« beigemischt war, »so, und
jetzt ändere ich mal die Reihenfolge, jetzt stelle ich mich mal an die Spitze.
Sollen die anderen doch mal sehen, wie das ist. Oder?«
    »Ja. So ungefähr.«
    Offen gesagt wusste Paula nicht, was sie von der
ganzen Sache halten sollte. Irgendetwas fehlte ihr in der Brunner’schen
Offenbarungskette noch. Doch auch das wurde jetzt prompt nachgeliefert.
    »Ich entschuldige mich bei Ihnen, Frau Steiner. Es tut
mir ganz furchtbar leid, alles. Und Sie können sicher sein, dass sich das nicht
wiederholen wird. Nie! Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich das mit mir
noch mal in aller Ruhe überlegen würden. Bitte nehmen Sie zumindest meine
Entschuldigung an.«
    Erwartungsvoll sah die Anwärterin sie mit jetzt vor
Anstrengung geröteten Wangen an.
    »Gut, Ihre Entschuldigung akzeptiere ich. Und am
Montagmorgen sage ich Ihnen Bescheid, wie ich mich entschieden habe.«
    »Früher geht es wohl nicht? Am Sonntag zum Beispiel?«
    »Nein. Am Montag in der Früh. So, und jetzt muss ich
mich auf den Weg machen.«
    Sie verabschiedete sich mit einem Kopfnicken und ging
raschen Schrittes den Vestnertorgraben nach rechts. Gerne hätte sie sich noch
einmal umgedreht, um nach Eva Brunner zu sehen. Doch da sie sich diese Blöße
der Neugier nicht geben wollte, blieb ihr gar nichts anderes übrig, als
weiterzugehen, bis sie sich endlich im Schutz der Burg unbeobachtet und sicher
fühlte.
    Dort, in der Mitte des niedrigen, langen und immer
leicht modrig riechenden Tunnels, der den Graben mit der Innenanlage der Burg
verband, blieb sie stehen, kramte aus ihrer Handtasche die Reservepackung für
Notfälle hervor, zündete sich die zweite Zigarette des Tages an und blaffte
einen Touristen, der sie und vor allem die glimmende Zigarette böse und tadelnd
anstarrte, wutentbrannt an: »Ist was? Passt Ihnen was nicht an mir?«
    Hatte sie sich richtig verhalten? Oder hätte sie Eva
Brunners Ansinnen kategorisch ablehnen sollen, gleich von Anfang an? Dass sie
die Entschuldigung angenommen hatte, war auf jeden Fall richtig. Doch, ja. Sie
war ja nicht nachtragend. Aber dass sie ihr das Versprechen gegeben hatte, die
»ganze Sache« nochmals zu überdenken, war vielleicht voreilig gewesen? Obwohl,
nein. Überdenken hieß ja nicht, dass sie jetzt verpflichtet war, sie wieder
aufzunehmen. Überdenken hieß überdenken. Nicht mehr, nicht weniger. Das würde
sie am Wochenende machen, das Pro und Contra abwägen – am besten schriftlich –
und dann sicher zu einem Entschluss kommen, der Bestand haben würde. Jetzt
nicht. Dazu brauchte sie Ruhe.
    Drei Minuten später, sie stieg die steilen Steinstufen
des Burgbergs hinab, hatte sie sich bereits entschieden. Ohne Ruhe, ohne Pro
und Contra und ohne dass ihr das bewusst gewesen wäre. Bewusst war ihr in dem
Augenblick nur, dass sie sich über die Vorstellung schlichtweg freute, wieder
in dieses Gesicht schauen zu können, auf dem der Arbeitseifer und die
Leidenschaft nur so brannten, zumindest in der Vergangenheit gebrannt hatten.
Und heute, bei diesem Gespräch vor dem Burggraben. Das vor allem hatte sie in
den vergangenen Tagen am meisten vermisst. Diese ansteckende, mitreißende
Begeisterung von Eva Brunner für das, was sie tat.
    Mit diesem instinktiven Entschluss hatte sie sich
gleichzeitig auch von dem Führungsmodell des Kollegen Trommen verabschiedet, das
ihr bis vor Kurzem noch so verlockend erschienen war. Von dessen zwar intakter
und nach außen hin auch bestens funktionierender linearer Befehlsstruktur. Aber
oben und unten – ihr lag das nicht. Wahrscheinlich weil es sie zu sehr in die
Pflicht nahm. Weil sie dann bei allem, was sie tat, auf einen sehr engen,
kleinen Rahmen festgelegt war. Sie war ja nicht Hauptkommissarin geworden, um
machtpolitische Spielchen zu organisieren, sondern um einigermaßen frei über
ihren eigenen Arbeitsstil entscheiden zu können. Und überhaupt, das mit den
strammen Hierarchien widersprach zu sehr ihrer Vorstellung von Gemütlichkeit,
von einer Arbeitsatmosphäre, in der zuallererst sie

Weitere Kostenlose Bücher