Mord in Der Noris
mit einem zaghaften Lächeln.
»Wann haben Sie Frau Platzer zuletzt gesehen?«
»Da muss ich überlegen.« Schließlich sagte sie: »Ich
glaube, am Dienstag vor drei Wochen. Aber hundertprozentig sicher bin ich mir
nicht. Wenn Sie möchten, schaue ich in meinem Kalender nach.«
»Nein, das braucht es nicht, das genügt uns schon.
Fürs Erste. Können Sie sich jemanden vorstellen, der für diese Tat in Frage
kommt? Oder anders formuliert: Wissen Sie von Personen, die Ihrer Schwester
feindlich gesonnen waren, die sie vielleicht sogar hassten?«
»Na, so gut kannte ich sie auch nicht. Aber nach dem,
was sie mir erzählt hat, nein, Feinde in dem Sinne hatte Elvira meiner Kenntnis
nach nicht. Vielleicht ihre Verwandtschaft väterlicherseits? Denn die haben es
nie gut mit ihr gemeint. Hat mir Elvira zumindest erzählt.«
»Wie gut kannten Sie selbst denn Ihre Halbschwester?
Wie oft haben Sie sich gesehen?
»Nicht oft. Vielleicht vier- oder fünfmal im Jahr.
Mehr nicht.«
»Und wo?«
»Meist hier bei mir.«
»Und Sie, haben Sie Ihre Schwester denn auch in deren
Wohnung besucht?«
»Nein, nie. Elvira hat niemanden bei sich
hereingelassen, nicht einmal mich. Aber sie hatte einen Grund dafür«, dabei
senkte Melitta Ruckdäschel die Stimme bedeutungsschwer, »sie war nämlich ein
Messie. Das hat sie mir gesagt. Und dass es ihr leidtue, dass sie mich nicht
bei sich empfangen könne, aber das bringe sie einfach nicht fertig. Und das
musste ja auch nicht sein, wir hatten es ja hier auch gemütlich.«
»Dann haben Sie also keinen Schlüssel für Frau
Platzers Wohnung?«
»Natürlich nicht«, lautete die Antwort.
»Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt, Sie und
Frau Platzer?«
»Zufällig, durch einen sehr traurigen Anlass. Bei der
Beerdigung unserer Mutter. Elvira hatte die Todesanzeige in der Zeitung
gelesen.«
Nach einer Pause fügte Paula mit einem aufmunternden
Lächeln hinzu: »Wo waren Sie am letzten Montag gegen dreiundzwanzig Uhr?«
»Am Montag vor einer Woche?«, wiederholte Melitta
Ruckdäschel. »Ah, jetzt hab ich’s. Da war ich hier, in meiner Wohnung.«
»Zeugen?«
»Brauche ich die?«
»Besser wäre es.«
»Ich habe sogar welche. Meine Tochter und mein Enkel
waren bei mir zu Besuch.«
»Sagen Sie uns bitte noch den Namen Ihrer Tochter? Und
wo ich sie erreichen kann?«
Bereitwillig gab Melitta Ruckdäschel die gewünschten
Auskünfte.
Paula stand auf und sagte: »Sicher möchten Sie nun
eine Weile allein sein, um diese Nachricht in Ruhe verdauen zu können.«
An der Wohnungstür verabschiedete sie sich von Frau
Ruckdäschel betont herzlich. Dann eilte sie zurück, Eva Brunner im Schlepptau,
ins Präsidium, zu ihrem Schreibtisch, zu ihrem überfälligen Bericht.
»Ich gehe jetzt heim, Frau Steiner. Das ist doch
recht?«
»Aber natürlich.« Paula sah kurz von ihrem Computer
auf. »Wenn Sie schon morgen mit den Befragungen beginnen wollen, machen Sie
sich’s wenigstens heute noch gemütlich. Und – Frau Brunner, Sie gehen kein
Risiko ein, klar? Kein Alleingang. Wenn Sie fündig werden, rufen Sie mich
sofort an. Ich habe am Wochenende Bereitschaft, ich bin die ganze Zeit auf
meinem Handy zu erreichen.«
»Nicht auf dem Festnetz?«
»Nein, ich fahre morgen in die Eichendorffstraße und
werde die Wohnung durchsuchen.«
»Vielleicht brauchen Sie da Unterstützung? Soll ich
mitkommen?«
Eine großzügige Offerte, wenn man bedachte, mit
welchem Ekel Eva Brunner erst am Dienstag von der »stinkenden« Wohnung des
Opfers gesprochen hatte.
»Nein, das braucht es nicht. Ich denke, das ist etwas,
worin ich richtig gut bin. Aber danke für das Angebot.«
Noch lange nachdem sich Eva Brunner von ihr
verabschiedet hatte, hing ein großes Lächeln in dem gemeinsamen Büro. Paula war
froh, dass sie die Anwärterin wiederhatte. Und diese schien auch froh über den
glücklichen Ausgang dieser »Geschichte von der Eichendorffstraße« zu sein.
Nachdem sie den Bericht an Fleischmann fertig hatte,
las sie ihn sich noch einmal durch. Sie ahnte, dass er damit nicht zufrieden
sein würde. Sie hatte einfach zu viele Verdächtige aufgelistet; jeder, den sie
bisher befragt hatte, kam in ihrem Bericht als Täter in Frage. Die Mutter, die
so scharf auf die Eigentumswohnung des Opfers war. Die verschuldeten Nichten,
denen das Wasser bis zum Hals stand. Der Schwager sowieso. Dann jetzt auch der
Exmann, Jäger und Mitglied im Jagdverband. Sogar Schneider-Sörgel mit seinen
Diebstahlsbeschuldigungen Elvira
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