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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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daran? Da kam ihr die Szene vor dem Fußballspiel
in den Sinn: sie vor dem Drehkreuz mit der Karte in der Hand, vor ihr die Frau,
die sich dann als Mann herausgestellt hatte. Genau, das war es, was sie störte.
    »Und was, wenn das gar kein Mann war, sondern eine
Frau? Wenn sich unsere zwei Zeugen getäuscht haben? Nicht in dem Ohrstecker,
auch nicht bei der Kopfbedeckung, aber im Geschlecht? Was kein Wunder wäre,
wenn man jemanden nur von Ferne in stockfinsterer Nacht vorbeieilen sieht. Wie
du es gesagt hast, Heinrich. Und dann noch mit einer Baseballkappe, die das
Gesicht halb verdeckt.«
    »Da könnte etwas dran sein«, sagte Heinrich, doch dann
schienen ihm Zweifel zu kommen. »Aber glaubst du wirklich, die Platzer wurde
von einer Frau mit einem solchen Nicker, diesem Jagdmesser, umgebracht?«
    »Ja, warum denn nicht? Die Emanzipation schreitet
allenthalben voran«, zitierte sie Frieder Müdsam. »Frauen gehen mittlerweile
auch auf die Jagd, Heinrich. Oder sammeln Waffen.«
    »Aber eine Frau mit Ohrschmuck werden wir selbst durch
eine groß angelegte Suche nicht finden. Dafür gibt es einfach zu viele davon«,
meldete sich eine enttäuschte Eva Brunner zu Wort.
    »Das nicht. Aber wir wissen jetzt trotzdem mehr als
zuvor.«
    »Und das wäre?«, fragte Heinrich.
    »Wir haben das Siegel und diese Stachelniete. Zum
Zweiten wissen wir, dass die Webers verschuldet waren. Zum dritten haben wir
das Testament, das …«
    »Gell, das freut dich, Paula?«, unterbrach Heinrich
sie. »Dass die Platzer ihre ganze Habe dem Tierheim vermacht hat und nicht
ihrer Stiefmutter oder ihren Nichten. Dass die also leer ausgehen.« Er klang
ungewohnt streitlustig.
    »Ja, vor diesem Wochenende hätte es mich noch gefreut.
Da hättest du recht gehabt«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Aber jetzt ist mir
das wurscht. Das ist mir so was von egal, ob das Geld und die Wohnung jemand
aus der Verwandtschaft kriegt oder nicht.«
    »Und warum dieser Sinneswandel auf einmal?«, hakte
Heinrich nach.
    »Weil ich am Samstag auf eine Seite der Platzer
gestoßen bin, die mir nicht gefallen hat. Die war nämlich nicht nur geizig,
sondern hat auch ihre gutmütige Nachbarin nach Strich und Faden ausgenutzt.«
    »Aha, da schau her. Dein Mitleid für diese arme, arme
Frau hat sich wohl erschöpft?«, fragte Heinrich, dabei triefte seine Stimme vor
Ironie.
    »Sagen wir mal so: Ich sehe das jetzt alles ganz
neutral und objektiv. Und das ist auch gut so, weil ich dann nicht
voreingenommen bin. Wie andere Leute in diesem Raum hier, die einer anderen
armen, armen und vor allem alten, alten Frau gegenüber übergroße und vor allem
völlig unverständliche Sympathien hegen. Nur weil sie selbst so einen überaus
spießigen und kitschigen Telefonschoner besitzen wie diese andere Person.«
    Eva Brunner hatte das Wortgefecht zwischen ihren
beiden Kollegen verwundert und stumm verfolgt. Wie ein Zuschauer ein
Tennisspiel, bei dem die Bälle hin und her geworfen werden. In dem Bemühen, in
den aufkeimenden Streit, der jetzt erst richtig in Fahrt zu kommen schien,
besänftigend einzugreifen, meldete sie sich zaghaft zu Wort.
    »Also, ich finde, Frau Steiner hat da schon recht.
Neutralität bei der Zeugenvernehmung ist grundsätzlich …«
    »Ach, red doch nicht so saublöd daher! Spar dir deine
Kalauer. Zumindest mir gegenüber.«
    Erschrocken sah ihn Eva Brunner an. Und auch Paula
wunderte sich über Heinrichs heftige Reaktion, die so gar nicht zu ihm passen
wollte.
    »Also, irgendetwas stimmt heute mit dir nicht. Du hast
ja eine dermaßen große Wut, dass du gar nicht mehr merkst, wie ausfällig und
verletzend du bist. Frau Brunner und ich sind nicht deine Blitzableiter. Was
ist denn los, dass du so gemeingefährlich bist?«
    Es war dem Oberkommissar anzusehen, dass er sein
Verhalten schon bereute. Zumindest ein wenig.
    Nach einer Minute unheilvollen Schweigens im
Kleinkommissariat rückte er endlich mit der Sprache heraus. »Ich bin heute früh
von Trommen angesprochen worden. ›Na‹, hat er gesagt, ›heute mal keine
Krankmeldung? Oder haben Sie vergessen, dass heute Montag ist? Das ist doch
eigentlich Ihr Tag. Oder spielt Frau Steiner nicht mehr mit und paukt Sie aus
allem raus? Ja, das ist schon bitter, wenn auf die Vorgesetzte kein Verlass
mehr ist, so wie früher.‹«
    »Und das war alles?«
    Heinrich nickte.
    »Das kann doch dir herzlich egal sein, was dieser
Blödmann sagt. Der will doch nur Unfrieden zwischen uns stiften. Merkst du denn
das

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