Mord in der Vogelkoje
bin?«
»Ich habe einige wichtige Fragen an Sie.«
»Für Sie wichtiger als für mich«, murrte Petersen.
»Zweifellos. Wollen wir hier draußen stehen bleiben?«
»Kommen Sie schon«, schnaubte Petersen und riss den unteren Türflügel auf.
Als sie in der Dörns saßen, schwieg der Hausherr mürrisch.
»Haben Sie Verwandte besucht?«, fragte Asmus, nur um einen höflichen Gesprächsanfang zu finden.
»Nein!«
»Nun, gut. Ich würde gerne wissen, warum Sie Dückes Mutter eingeredet haben, er sei die Klippen hinuntergestürzt.«
Petersen dachte lange nach. »Habe ich doch gar nicht«, sagte er dann. »Alwart hat vom Roten Kliff gesprochen, und das habe ich so weitergegeben.«
»Sie haben nicht erwähnt, dass Dücke am Quermarkenfeuer Rotes Kliff zu Tode kam. Mitten in den Dünen.«
»Das wusste ich selbst nicht. Und Klippen sind zum Hinunterstürzen nun mal wesentlich naheliegender als Dünen, das müssen Sie zugeben.« Petersen machte einen verwunderten Eindruck, aber die Unkenntnis nahm Asmus ihm nicht ab.
Im Gegenteil sogar. Sein Instinkt sagte ihm, dass noch etwas anderes dahintersteckte. »So so. Dann eine andere Frage. Kennen Sie einen Maximilian Degenhardt?«
Petersen warf sich in seinem Stuhl zurück und lachte schallend. »Den Spinner aus Konstanz? Kennen ist wirklich zu viel gesagt. Er war mal hier.«
»Und warum ist er für Sie ein Spinner?«
»Na, hören Sie bloß auf ! Der zog ein Holzspielzeug aus einem Schultornister und fragte mich, ob ich daran Interesse hätte. Dabei habe ich gar keine Kinder. Was geht dieser Verrückte denn Sie an?«
»Sie wissen, dass er der Tote in der Vogelkoje war, nicht wahr? Wir gehen allen Spuren nach, die uns einen Hinweis darauf geben können, warum er erschossen wurde.«
»Der ist der Tote?«
Asmus nickte.
Petersen fuhr unbeeindruckt fort. »In Konstanz ist er wahrscheinlich als Querulant schon polizeibekannt. Wenn Sie meine Meinung wissen wollen, war der ein hartnäckiger kleiner Ganove, der ein Geschäft machen wollte und sich ausrechnete, dass auf ihn die Dummen hereinfallen. Aber bei mir nicht!«
»Was für ein Spielzeug war es denn?«
Petersen prustete verächtlich. »Eine Ente. Hatte sogar einen Namen, und der hatte irgendetwas mit Handarbeiten zu tun. Fadenente oder Strickente oder Reihen …«
»Vielleicht Reiherente?«
»Ja, genau. Das war es. Die war immerhin hübsch bemalt. Er wollte sie im Teich unserer Entenkoje schwimmen lassen.«
»Und?«
Petersen zuckte feixend die Schultern. »Wenn er partout Stockenten erschrecken will, soll er doch, habe ich ihm gesagt. Solange wir die Koje nicht bewirtschaften, ist es uns egal, welche Tiere darin herumschwimmen. Von mir aus Holzenten, Teichhühner oder Wale.«
Asmus schmunzelte in Erinnerung an Oses Wale in der Nacht. Die Reiherente war allerdings realistischer. »Sie haben es also erlaubt«, schloss er aus alledem. »Für wie lange?«
»Er wollte drei, vier Tage ausprobieren, ob sich unsere Enten mit seiner anfreunden. Das war alles. Ich habe danach nie mehr von ihm etwas gehört oder ihn gesehen. Ein Spinner, wie ich schon sagte. Davon haben wir jedes Jahr bestimmt zwei oder drei.«
»Ach so. Dann liegt mir noch eine letzte Frage auf der Seele. Sie hatten uns eine Liste mit den Fangzahlen des letzten Kojenjahres mitgegeben.«
»Ja«, bestätigte Petersen mit einem Hauch von Argwohn und rückte sich auf seinem Stuhl zurecht.
»Könnten Sie uns außerdem die Listen der vorherigen Jahre aushändigen? Wir würden sie gerne einsehen.«
»Hm. Das geht nicht«, antwortete Petersen. »Ich habe sie verbrannt. Das Geschäft mit dem Entenfang ist beendet, kein Mensch braucht die alten Zahlen.«
»Das ist bedauerlich«, sagte Asmus.
»Ich wüsste nicht, warum.«
»Glauben Sie, dass ich die Zahlen bei einem der anderen Hauptinteressenten bekommen könnte?«, forschte Asmus.
»Ganz sicher nicht. Warum sollten die sie aufgehoben haben? Die jeweils neuesten Zahlen bekommen sie, damit sie die Abrechnung überprüfen und die Nebeninteressenten ausbezahlen können.«
Asmus nickte. Er hütete sich, Petersen mitzuteilen, dass er die Zahlen der letzten Jahre vom Kapitän erhalten hatte. »Schade.«
»Es ist doch alles Vergangenheit, die niemanden mehr interessiert.«
»Da mögen Sie recht haben.« Asmus und Matthiesen verabschiedeten sich. Asmus bemerkte, dass von draußen auffallend wenig Quaken zu hören war. Vielleicht hatten die Enten eine Extraportion Gerste erhalten.
Es war fast abzusehen
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