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Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Entscheidungen, die Sie treffen, sie müssen auch im richtigen Augenblick getroffen werden. Allein Sie entscheiden darüber, was jeweils zu tun ist. In einer Situation, die dazu angetan ist, den Frieden und die Sicherheit des Landes zu gefährden, kann das alles Mögliche sein.«
    Er hatte nicht »Gott möge Ihnen helfen« hinzugefügt, obwohl es dazu sicherlich Grund gegeben hatte. Dann war ein Ausdruck in seine Augen getreten, in dem sich leiser Spott, Mitgefühl wegen der vor Pitt liegenden schweren Aufgabe, Neid und Bedauern darüber mischten, dass man ihn gezwungen hatte, das alles aufzugeben, und er selbst diese Aufgabe nicht mehr ausführen durfte. Ihm würde die damit verbundene Erregung fehlen, und es ärgerte ihn, dass sein scharfer Geist nicht mehr gefragt war.
    Natürlich war Pitt seither mit ihm zusammengetroffen, aber jeweils nur flüchtig. Es hatte den einen oder anderen gesellschaftlichen Anlass gegeben, Unterhaltungen, wie sie die Höflichkeit gebot, aber ohne Substanz. Die Frage, wie der jeweils andere lernte, sich in seine neue Rolle zu fügen und sich ihr anzupassen, blieb unausgesprochen.
    Pitt setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und wandte seine Aufmerksamkeit erneut den Papieren darauf zu.
    Es klopfte. Kaum hatte er »Herein« gerufen, als Stoker eintrat. Dank des Irland-Abenteuers im Vorjahr war er in der Abteilung der Einzige, von dem Pitt wusste, dass er sich mit Sicherheit auf ihn verlassen konnte.
    »Ja?«, sagte er, als Stoker ihm gegenüber stehen blieb. Auf dem hageren Gesicht des Mannes lag unverkennbar ein Ausdruck von Besorgnis und Unbehagen.
    »Hutchins hat einen Bericht aus Dover geschickt, Sir. Er hat gesehen, dass ein paar verdächtige Leute mit der Fähre vom Kontinent rübergekommen sind. Unruhestifter. Nicht die übliche Art, die politische Brandreden schwingt, sondern Leute, die Taten im Schilde führen. Hutchins ist ziemlich sicher, dass mindestens einer von ihnen im vorigen Jahr an der Ermordung des französischen Premierministers beteiligt war.«
    Pitt spürte, wie sich seine Eingeweide verkrampften. Kein Wunder, dass Stoker besorgt wirkte. »Sagen Sie ihm, er soll zusehen, dass er absolute Sicherheit gewinnt«, sagte er. »Schicken Sie zusätzlich Barker hin. Sorgen Sie dafür, dass man die Züge von Dover nach London im Auge behält. Wir müssen wissen, ob einer von denen herkommt und mit wem er Verbindung aufnimmt.«
    »Vielleicht steckt ja nichts dahinter«, sagte Stoker, doch es klang nicht überzeugend. »Hutchins neigt dazu, übervorsichtig zu sein.«
    Pitt holte schon Luft, um zu sagen, dass genau das Hutchins’ Aufgabe sei, überlegte es sich dann aber anders. Stoker wusste das ebenso gut wie er. Er sollte nicht immer so viel erklären. »Behalten Sie die Leute einfach im Auge. Hutchins und Barker genügen in Dover dafür. Halten Sie mich auf dem Laufenden, wenn es etwas Neues gibt.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    »Danke.«
    Stoker wandte sich um und ging. Pitt blieb eine Weile reglos sitzen. Würde sich die Polizei oder der Geheimdienst Frankreichs an ihn wenden, sofern es sich tatsächlich um einen der Mörder des Premierministers handelte? Würde man seine Hilfe erbitten oder sich den Mann selbst vornehmen? Vielleicht erhofften sich die Franzosen von ihm Angaben über andere Anarchisten. Ebenso gut war es aber auch möglich, dass sie für den Mann einen Unfall arrangierten und dafür sorgten, dass die Geschichte nie an die Öffentlichkeit gelangte. In diesem Fall war es für den englischen Staatsschutz besser, sich ganz aus der Sache herauszuhalten. Es würde genügen, später darüber nachzudenken, ob man sich mit Paris sozusagen unter vier Augen austauschte. Diese Art von Entscheidung, bei der man sich vor hohe und nur schwer zu erfüllende moralische Anforderungen gestellt sah, hatte Narraway gemeint, als er von Grauzonen sprach.
    Pitt beugte sich erneut über die Papiere, an denen er arbeitete.
    Für den Abend war ein Empfang vorgesehen, an dem rund hundert wichtige Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft teilnehmen würden. Angeblich wollte man sich das neueste Wunderkind anhören, das einige Salonstücke auf der Geige zum Besten geben sollte, doch ging es in Wahrheit darum, heikle Informationen über Veränderungen der Machtverhältnisse auszutauschen, was während der Dienststunden im Büro nicht möglich war.
    Kurz nach sieben Uhr betrat Pitt sein Haus in der Keppel Street. Unwillkürlich umspielte ein Lächeln seine Lippen, als ihn statt der

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