Mord in Londinium
nur an sich selbst interessiert ist. Sie wollte Petronius, weil ein heimlicher Geliebter ihr das Gefühl gab, wichtig zu sein.« Helena dachte immer noch, sie sei über den Beweis für ein lüsternes Jungenspiel gestolpert. Sie hatte mir nie völlig geglaubt, keine geheimen Affären zu haben. Momentan war Chloris natürlich die Verdächtige. Mit gerunzelter Stirn kam Helena auf unser ursprüngliches Gespräch zurück. »Du glaubtest, Milvia würde nur für Ärger sorgen.«
»Ich hatte Recht.«
»Und was den Ehemann betraf, der sei eine taube Nuss.«
»Heute nicht mehr. In der Balbinus-Bande ist alles im Wechsel begriffen. Die Mutter wird langsam alt. Wer weiß, wo das willige Weibsbild ist? Aber Florius hat sich auf wundersame Weise von einem schlappschwänzigen Fettkloß in einen der abgebrühtesten Schwerverbrecher verwandelt. Sein Umgehen mit Verovolcus zeigt, dass er jetzt niemanden duldet, der sich ihm in den Weg stellt.«
Helena war besorgt. »Florius hat dich schon einmal angegriffen. Dann wurde Petro allein erwischt und schwer verletzt.«
»Eine Warnung.«
»Trotzdem ist Petronius immer noch entschlossen, sich Florius zu schnappen? Während Florius genau weiß, womit er es zu tun hat: Petronius Longus von der Ermittlungsmannschaft der Vigiles, der Florius’ süße, reiche kleine Frau zur Ehebrecherin gemacht hat – und sie dann nicht mal wollte, sondern sie einfach wieder heimgeschickt hat.«
»Ich bin sicher, er hat Milvia zuerst ganz glücklich gemacht«, sagte ich. Das kam automatisch. Dann dachte ich daran, wie er gestern Nacht Maia in diesem düsteren Szenario geküsst hatte, und mir wurde ganz anders.
»Was ist los?«, fragte Helena. Ich schüttelte den Kopf. Nach einem Augenblick ließ sie es dabei bewenden und sagte: »Diese Leute wollen Rache.«
»Stimmt. Und sie werden keine Ruhe geben.«
Ich erhob mich, hörte auf, mich zu fragen, wo meine Schwester war. Amüsierte sich bei einem Stelldichein mit dem öligen und schleimigen Norbanus, während ihr Liebhaber von letzter Nacht in ernsten Schwierigkeiten steckte.
Ich beschloss, zu den Bädern zurückzukehren. Früher oder später würde Petro dort auftauchen. Aber erst mal war es an der Zeit, hier ein Mittagessen einzunehmen. Nachdem wir die Leiche bereits bei Tagesanbruch gefunden hatten, musste Hilaris ebenfalls ziemlich hungrig sein, denn wir trafen ihn an, wie er sich mit schlechtem Gewissen im Esszimmer voll stopfte. Und daher waren Helena und ich zufällig anwesend, als ein vertraulicher Bote der Armee eintraf. In großer Eile, auf der Suche nach dem Statthalter. Hilaris wusste, dass Frontinus nach wie vor emsig an Eilbotschaften arbeitete, aber bevor der Bote in das richtige Büro geschickt wurde, ließ sich Hilaris berichten, worum es ging.
Spleiß war entkommen.
Wir liefen alle mit dem Boten zum Statthalter. Frontinus hörte sich die Nachricht mit der Neutralität an, die gute Offiziere lernen. Er musste wütend sein, wartete aber ab, um erst die Konsequenzen zu durchdenken, bevor er lospolterte. »Was ist genau passiert?«
»Ich weiß nur, was man mir zu sagen aufgetragen hat, Herr.« Der Bote schob die Schuld geschickt auf andere ab. »Den Soldaten, die den Gefangenen eskortierten, ist wohl irgendwie ein Fehler unterlaufen, und sie haben ihn verloren.«
»Er wurde am frühen Morgen abtransportiert. Wieso erfahre ich erst jetzt davon?«
»Sie haben versucht, ihn wieder einzufangen, Herr.«
Frontinus war sprachlos. Einen wichtigen Gefangenen zu verlieren war unentschuldbar. Aber mir kam das typisch vor. Ich konnte mir die Bande von Lahmärschen da draußen vorstellen, wie sie lachend sagten: Ach, erzähl dem Alten einfach, es täte uns Leid – der wird’s schon verkraften …
»Ich habe Sie wegen der Soldaten gewarnt.«
»Haben Sie«, erwiderte Frontinus knapp. In einer Grenzprovinz war Pflichtversäumnis ein Dezimierungsverbrechen: Jeder Zehnte, durch das Los bestimmt, wurde von seinen entehrten Kameraden zu Tode geknüppelt. Und das war noch nicht alles. Die Moral der Truppe würde stark darunter leiden, sowohl hier als auch an den Grenzen, wenn sich die Gerüchte bis dorthin verbreitet hatten.
Ein Adjutant stand parat. Frontinus bellte Befehle, hielt kaum inne, um zu überlegen. »Bringen Sie mir den Kommandanten. Bevor er herkommt, will ich, dass dem Trupp sämtliche Waffen und Rüstungen abgenommen und sie in Ketten gelegt werden. Sie sind von Männern aus einer anderen Abteilung zu bewachen, nicht aus ihrer
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