Mord in Londinium
Topfpflanze, ein mickriges britannisches Ding, nur Blätter, stand auf einem Beistelltisch. »Wo kommt die denn her?« Die scharfäugige Helena hatte sie bemerkt. Sie war mir nachgekommen, neugierig darauf, was ich dachte.
»Ist die neu?«
»Ein Liebesgeschenk für Maia von Norbanus?«, spekulierte Helena.
»Verlegt sich jetzt wohl aufs Gärtnern. Meint der, er hat mit Blattpflanzen bessere Chancen als mit seinem gruseligen Harfenisten?«
»Sie hat den Harfenisten heute Morgen zurückgeschickt«, sagte Helena, als meinte sie, ich hätte etwas damit zu tun. »Die Pflanze könnte von jemand anderem stammen …«
»Wo ist Maia hin? Ich hoffe, sie spielt nicht Landleben mit Norbanus in seiner Villa.«
»Das bezweifle ich.«
»Sie sagte mir, sie hätte es vor.«
Helena lächelte. »Sie erzählt dir eine Menge Blödsinn. Diese Villa scheint jedenfalls reichlich merkwürdig zu sein. Marcus, der Mann, der den Tragestuhl beschattet hat, kam heute Morgen und hat Onkel Gaius Bericht erstattet.«
»Und du hast dich zufällig im richtigen Moment mit deinem Onkel unterhalten …?« Ich grinste.
Helena lächelte wieder, vollkommen gelassen. »Norbanus wohnt im nördlichen Teil der Stadt. Laut seinen Nachbarn bleibt er jede Nacht in Londinium. Sie waren sogar überrascht zu hören, dass er eine Villa am Fluss besitzt. Klingt so, als würde er sie nie aufsuchen.«
»Warum ist er dann so begierig darauf, sie Maia zu zeigen?«
Benutzte er sie nur als Liebesnest für Verführungen? Daran wollte ich lieber nicht denken. »Was sagen diese Nachbarn sonst noch über ihn?«
»Dass er ein ganz gewöhnlicher Mann ist.«
»Ermittler wissen, dass kein Mann gewöhnlich ist.«
»Tja, alle Männer denken, sie seien etwas Besonderes«, gab Helena zurück.
Ich grinste. Zum Glück mochte ich ihre Voreingenommenheit. »Und was ist mit diesem?«
»Norbanus lebt sehr ruhig. Redet freundlich mit den Leuten. Spricht liebevoll und immer wieder über seine verwitwete Mutter. Streichelt Hunde. Isst in örtlichen Cauponas zu Mittag. Verhält sich respektvoll gegenüber einheimischen Frauen und ist kommunikativ mit einheimischen Männern. Ist allgemein beliebt, ein guter Nachbar, sagen sie.«
»Die Sache mit der Mutter gefällt mir ganz besonders.« Dann klärte ich Helena auf, dass die Stillen immer dunkle Geheimnisse verbergen. Wenn Mörder oder hochkarätige Betrüger verhaftet werden, kreischen ihre Nachbarn stets vor Verwunderung auf. Zuerst streiten sie ab, dass so ein netter Mensch etwas Grauenhaftes getan haben könnte. Später rücken sie dann selbst mit sensationellen Geschichten raus, wie er mal dieses Mädchen die Gasse entlanggezerrt hat, und dass er schon immer diesen seltsamen Blick in den Augen hatte … Helena meinte darauf nur, wie zynisch ich heute sei.
Na gut, vielleicht war Norbanus voll antiquierter Ehrbarkeit. Trotzdem wollte ich nicht, dass meine Schwester mit ihm in irgendeiner britannischen Gartenlaube herumknutschte. Ich betrat Maias stilles Zimmer, setzte mich auf das Bett und starrte die Pflanze an. Helena blieb im Türrahmen stehen, beobachtete mich nachdenklich. Ich erzählte ihr, was ich an diesem Morgen über Florius erfahren hätte. »Du bist ihm nie begegnet, oder?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Seine Verwandten waren schlimm genug. Petro hatte mal Besuch von Milvia, während er bei uns wohnte.« Das musste gewesen sein, kurz nachdem Petros Frau ihn rausgeworfen hatte. Helena verzog das Gesicht. »Und Marcus, kam ihre entsetzliche Mutter nicht auch irgendwann bei uns reingestürmt und polterte los, unser Lucius solle ihr süßes Töchterlein in Ruhe lassen? Als ob wir uns nicht alle Mühe gaben, ihn genau davon zu überzeugen – um seiner selbst willen!«
»Ich wünschte, Petro hätte auf unseren Rat gehört.«
»Die Mutter war zum Fürchten«, erinnerte sich Helena. »Nur Drohungen und Gehässigkeiten. Und Balbina Milvia! Eines dieser Mädchen, die ich nicht ausstehen kann – leuchtende Augen und Tonnen beneidenswerten Schmucks. Viel zu hübsch, um gute Manieren oder ein Hirn zu haben.«
»Im Bett eine Null!«, rief ich aus.
Helena warf mir einen schockierten Blick zu. »Woher weißt du das? Hat Petronius Longus dir das erzählt, während ihr beiden gesoffen habt?«
»Nein, hat er nicht. Er hat nie über seine Affären gesprochen.« Er und ich hatten über die Jahre vielen Frauen in Weinschenken anzügliche Blicke zugeworfen; ich wusste, wie er dachte. »Aber man konnte erkennen, dass Milvia
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