Mord in Londinium
eigenen Legion. Entwaffnen Sie den Zenturio und bringen Sie ihn her zu mir. Ich will, dass jeder Dienst habende Legionär mit einer Suchmannschaft ausrückt. Ich will, dass alle Soldaten in ständiger Bereitschaft bleiben. Und, ohne das extra betonen zu müssen, ich will den Gefangenen zurück.«
Vergebliche Hoffnung, dachte ich.
»Heute noch!«, fügte er hinzu. Julius Frontinus erkannte jetzt, dass seine Provinzhauptstadt in Anarchie versank. Zum Glück war er ein praktischer Mann, und in Aktion zu treten half ihm, damit umzugehen. Trotzdem hatte ich ihn noch nie so schmallippig gesehen.
Ich war sogar noch stärker bedrückt. Aber ich war ja auch schon mal gegen die Balbinus-Bande angetreten.
XLI
Auf dem Weg nach draußen wurde ich von einer Nachricht des Folterknechts aufgehalten.
Amicus, der so genannte Freundschaftliche, hatte seine verpasste Chance, Löcher in Pyro und Spleiß zu piken, wettgemacht. Er hatte sich die Kellner mit erhitzten Maniküregerätschaften vorgeknöpft und dann den widerspenstigen Barbier mit einer Vorrichtung, die ich anzuschauen vermied, fast von innen nach außen gekehrt.
»Schade, dass ich mir diesen Spleiß nicht vornehmen konnte«, meinte er bedauernd, als ich ihn in den Niederungen der Residenz aufsuchte. »Er klingt wie ein interessanter Kunde. Ich hoffe, Sie fangen ihn für mich wieder ein. Wissen Sie, wie er an seinen Spitznamen gekommen ist, Falco?«
»Ich vermute, Sie werden es mir gleich erzählen – und es wird unerfreulich sein.«
Er gluckste. Vielleicht trug sein fröhliches Verhalten dazu bei, seine Opfer zu entnerven; mich beunruhigte der Kontrast zu seiner Schmerz zufügenden Seite jedenfalls. »Spleiß wollte zwei Imbissbudenbesitzer bestrafen, Vettern, denen die Bude gemeinsam gehört und die sich weigerten, Schutzgeld zu zahlen. Eines Nachts ging er hin und hieb beide Männer von Kopf bis Fuß mitten durch. Dann band er die linke Seite jeder Leiche an die rechte der anderen. Das Ergebnis ließ er an die Theke gelehnt stehen.«
»Jupiter!«
»Das passt. Jupiter steht bei dieser Bande in hohem Ansehen«, stimmte Amicus warmherzig zu. »Jede Menge Schilder mit demselben mythischen Thema. Passend, weil der Beste und Größte der Schutzgott der Trauben und des Weines ist. Und es lässt jeden erkennen, wie viele Geschäfte Schutzgeld zahlen.«
»Ja, das hab ich auch schon rausgefunden.«
»Aber Sie haben bestimmt nicht alle entdeckt«, wies mich Amicus zurecht. »Darauf komme ich noch … Erstmal werden ich Ihnen sagen, was ich habe.« Er war pedantisch in seiner Berichterstattung. »Die Organisation arbeitet wie folgt: Es gibt zwei gleichberechtigte Anführer, beide momentan damit beschäftigt, organisierte Kriminalität in Britannien zu etablieren. Der eine kümmert sich um die sportlichen Aktivitäten – Bordelle, Wettannahmen und Gladiatorenkämpfe. Der andere räumt in Speiselokalen, Imbissbuden und Weinschenken ab. Sie kommen aus Rom, wollen aber von hier wieder verschwinden, wenn ihr Imperium aufgebaut ist. Pyro und Spleiß sollten diese Sektion für sie führen.«
»Hat die Bande einen zahmen Anwalt, einen gewissen Popillius?«
»Wurde nicht erwähnt. Sie haben Lagerräume, Schiffe, sichere Häuser, sogar ein sicheres Badehaus und größere Gruppen schwergewichtiger Kämpfer. Einen Teil der Schläger haben sie mitgebracht, hauptsächlich erfahrene Kriminelle, denen das Pflaster in Rom ein bisschen zu heiß unter den Füßen wurde. Andere werden hier rekrutiert. Böse Buben strömen ihnen von allen Seiten zu. So sind sie an den Mann gekommen, der gestorben ist.«
»Sie meinen Verovolcus? Ja, der war auf der Flucht … Wie machen sie diese einheimischen Jungs auf sich aufmerksam? Erzählen Sie mir nicht, sie kritzeln Stellenanzeigen auf eine Säule im Forum – Freizeit, Unterkunft und Verpflegung, jede Menge Gelegenheit, die Bevölkerung zusammenzuschlagen? «
Amicus zuckte die Schultern. »Vermutlich Mund-zu-Mund-Propaganda. Ich kann nachfragen.«
»Ist nicht wichtig. Angenommen, wir fangen Spleiß wieder ein, wofür kann er angeklagt werden?«
»Er hat den Bäcker zu Tode geprügelt. Pyro hat den Bäcker aufgegabelt, als er trinkend in einer Schenke namens ›Semele‹ saß.«
»Eine der Lieblingsgespielinnen Jupiters.«
»Aber wusste der Bäcker, dass die Schenke von der Bande geführt wurde, oder war er nur nicht wachsam genug?«, fragte sich Amicus. »Pyro hat natürlich die Bäckerei in Brand gesetzt, das war seine Aufgabe.
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