Mord in Londinium
jeder durch Gewalt unterstützten Drohung, jedem erbärmlichen, dreckigen Betrug erzählen. Ich will von dem endlosen Immobilienportefeuille hören, den Übernahmen heruntergekommener Imbissbuden, den obszönen Kinderbordellen, dem mitleidlosen Zusammenschlagen Unschuldiger und den Morden.«
Ein Luftzug ließ die Fackeln flackern. Kurz spürte ich kalte Luft. Ich schaute mich nicht um.
»Ich habe nichts zu sagen«, meinte Norbanus lächelnd, immer noch der gut aussehende, urbane Ehrenmann. »Ihre Beschuldigungen werden vor Gericht nicht standhalten. Sobald sich meine Anwälte damit befassen. Sie haben keine Beweise gegen mich …«
»Die bekomme ich schon«, sagte Petronius. Ich hatte ihn bei vielen Gelegenheiten in Aktion gesehen, aber nie so beeindruckend wie hier. »Erzählen Sie mir von Maia Favonia.«
»Warum? Sie kennen sie gut genug.«
»Genug, um besorgt zu sein, wenn sie Männern wie Ihnen in die Hände fällt.« Petronius hatte sich vollkommen unter Kontrolle. »Aber lassen Sie uns hören, was Ihr Interesse an ihr war, Norbanus. Oder war das alles nur ein Trick, um Florius zu helfen, an mich ranzukommen? Sie sind um Maia herumscharwenzelt, haben sie mit Musik ergötzt und ihr Ausflüge zu Ihrem Landsitz angeboten – aber war sie Ihnen wirklich auch nur einen Pfifferling wert?«
Der Mann zuckte die Schultern und lächelte. Dann hörte er auf zu lächeln.
»Er ist Junggeselle, ein Milchbubi, der seine Mutter anbetet«, höhnte ich. »Keine andere Frau interessiert ihn. Die eindringliche Verführung war nur gespielt.«
Ich hatte jemanden hinter mir in den Raum kommen hören. Das Licht wurde heller, als Helena Justina sich uns wieder anschloss, mit einer Teerfackel in der Hand. Neben ihr stand, als ich mich umdrehte, um zu sehen, wer es war, meine Schwester Maia.
Sie sah aus, als ginge es ihr gut. Müde, aber lebenssprühend. In so einer Verfassung war sie wunderschön. Ihr rotes Kleid war verschmutzt, als hätte sie es tagelang angehabt, doch es glühte mit einer Farbkraft, die dem roten Fetzen des Lockvogelflittchens gefehlt hatte. Maias dunkle Locken wippten. Ihre Augen blitzten.
Ihr Blick war direkt auf Petronius gerichtet. »Was ist mit dir passiert?«
»Ein kleines Abenteuer. Wo«, fragte Petro, formulierte es vorsichtig, »bist du gewesen, Maia?«
Maia schaute kurz zu Norbanus. »Ich bin mit den Kindern auf dem Fluss segeln gegangen. Wir haben uns das Boot des Prokurators geborgt. Wir fuhren flussabwärts, dann brach dieser schreckliche Sturm los und der Mast wurde vom Blitz getroffen. Die Kinder fanden es herrlich. Wir haben einen Tag damit verbracht, die Schäden zu beheben, und als wir uns zurückgekämpft hatten, durften wir hier eine Ewigkeit nicht anlegen wegen irgendwelcher geheimen Übungen. Das heißt wohl, du und Marcus spielt wieder mal rum, oder?«
»Wo sind die Kinder?«
»Mit dem Statthalter nach Hause gegangen.« Mit ungewohnter Feinfühligkeit hielt Maia inne. »Ich scheine was verpasst zu haben.«
Einige von uns waren sprachlos.
Helena übernahm. »Hör zu, Maia! Norbanus ist einer der Anführer der Verbrecher, die Petronius verfolgt. Der andere heißt Florius, und er lebte in der Villa, in die sie dich zu locken versuchten. Sie wollten dich als Geisel benutzen, liebe Maia, um an Petro ranzukommen. Sie behaupteten, sie hätten dich – und Lucius dachte, dass es stimmt. Also ergab er sich, um dich auszulösen, und wäre fast auf entsetzliche Weise umgekommen …«
Maia schnappte nach Luft. »Du hast dich ergeben ?«
»Ein alter Armeetrick«, sagte Petronius abwehrend. »Das Manöver ist so dämlich, dass man hofft, damit durchzukommen.«
»Du bist fast umgekommen?«
»Ah, Maia, jetzt hältst du mich für einen Helden!«
»Du bist ein Idiot«, sagte Maia.
»Das meint sie liebevoll«, vermittelte Helena und zuckte zusammen.
»Nein, das meint sie genau so, wie sie es gesagt hat«, gab Petronius zurück. Er klang fröhlich, als hätte die Anwesenheit meiner zänkischen Schwester seine Laune gebessert.
Norbanus machte den Fehler, vor sich hinzulachen.
»Sie!« Maia zeigte wütend mit dem Finger auf ihn. »Sie sind mir eine Antwort schuldig!« Sie drängte sich an Helena vorbei, um an ihn ranzukommen. »Stimmt das? Was ich meinen Bruder sagen hörte? Sie haben alle belogen? Sie haben sie bedroht? Sie haben versucht, Petronius umzubringen? Und Sie haben mich in der ganzen Zeit, in der Sie mir schöne Augen machten, nur benutzt?«
Ich versuchte, sie zurückzuhalten –
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