Mord in Londinium
Leiche gezeigt hatte. Er war hilfreich, so weit er das sein musste, aber er ergriff keine Initiative.
Zum Glück war hier keine Initiative nötig. Rohe Gewalt stemmte die Tür auf. Der riesige Lagerraum war leer.
Helena Justina kam herein und berührte mich am Arm. »Hör mal – wie kann Florius über diesen Teil des Kais entkommen sein, wo alles von Soldaten bewacht wurde?«
»Das hier ist das Lagerhaus der Bande, Liebes. Hier haben sie den Bäcker umgebracht …«
»Und sie wussten, dass die Zollbeamten es unter Beobachtung hielten! Sie wären dämlich, hierher zurückzukommen. Marcus, sie hatten doch jede Menge Geld. Warum sollten sie sich mit einem Lagerhaus begnügen? Ich wette, sie haben noch andere – und während ihr alle in diesem Gebiet sucht, habt ihr da bemerkt, dass die Lagerhäuser sich auch noch weiter flussaufwärts ausdehnen? Die Bande könnte genauso gut auch eines von denen benutzen, hinter der Fährenanlegestelle.«
Helena hatte Recht. Der Fährmann hatte über Florius Bescheid gewusst.
Ich raste über den Kai zurück. Beim Zollhaus überquerte ich die Straße und schrie den Legionären zu mitzukommen. Die Fährenanlegestelle lag hinter der Straße zum Forum. Während Silvanus und ich in die falsche Richtung gelaufen waren, mussten seine Männer die Gefangenen weiter unter Druck gesetzt haben, denn wir fanden eine Gruppe von Soldaten vor, die verschiedene Lagerhaustüren aufbrachen. Ich mag gar nicht daran denken, wie lange dieser Teil unserer Suche dauerte. Ein Lagerhaus nach dem anderen wurde aufgebrochen. Schließlich, nachdem man neue Informationen aus den Gefangenen gequetscht hatte, versammelten sich die Soldaten vor einem Lager, dass sie für das Richtige hielten. Mit Helena auf den Fersen brach ich durch die Tür, ohne auf Splitter zu achten. Es war stockdunkel. Jemand reichte eine Fackel herein.
»Petro!«
Keine Antwort.
»Petronius!«
Hier war alles mit Diebesgut voll gestellt. Mit Gewalt bahnte ich mir einen Weg zwischen Kisten und Ballen. Helena, schlanker als ich, packte die Fackel und schlüpfte an mir vorbei zwischen den Stapeln hindurch, rief ebenfalls Petros Namen. Hinter uns waren die Soldaten immer noch damit beschäftigt, die Tür weiter aufzubrechen.
Helena fand Petronius als Erste. Ihr Schrei ließ mir das Blut gefrieren. »Marcus, Marcus, hilf ihm – schnell! «
LVI
Er hatte nicht geantwortet, weil er nicht konnte. Jede Unze von ihm stand unter Spannung. An der Grenze seiner Widerstandskraft, hatte ihn sogar unsere Ankunft fast zum Schwanken gebracht. Hoffnung war die letzte Ablenkung, die er brauchen konnte.
Florius hatte ihn in eine totale Zwickmühle gebracht. Er hatte sich Zeit gelassen, das alles herzurichten. Petronius war mit mehreren langen Seilen um die Taille festgebunden, die sternförmig verliefen, sodass er seine Stellung nicht ändern konnte. Mit über den Kopf ausgestreckten Armen hielt er sich verzweifelt an einem Ring am Ende einer langen Kette fest. Sie führte nach oben und über eine Rolle zu einem Ladebaum. Am anderen Ende hatte Florius eine große Kiste mit Ballast befestigt. Man weiß ja, was Ballast ist – Steine, groß und schwer genug, um ein leeres Schiff im Sturm auf Kurs zu halten. Ich sah, dass die Steine hoch aufgetürmt waren. Die Kiste war direkt über Petro auf gefährliche Weise ausbalanciert, ragte über den Rand eines Laufstegs hinaus. Sie wurde halbwegs von einer Eisenstange gehalten. Wenn Petro die Kette losließ – oder sie auch nur um ein paar Zoll lockerte –, würde die Kiste von ihrer Halterung kippen und direkt auf ihn niederkrachen. Das Spiel bestand darin, dass Petronius so lange wie möglich aushalten musste und gleichzeitig wusste, dass er, wenn seine Kraft nachließ, erschlagen werden würde.
Sehnen traten an seiner Stirn hervor. Sein Gesicht war mit Schweißperlen bedeckt. Sein Mund war ein zusammengepresster Strich, seine Augen zugekniffen. Er war fast an der Grenze.
Helena und ich drängten uns neben ihn und zogen an der Kette. Ich zwängte eine Hand durch den Ring, mehr Platz gab es nicht. Es war fast unmöglich, das kalte, glitschige Metall der Kette selbst zu packen. Petronius atmete, wagte aber nicht, aufzugeben. Ich wog weniger als er, wusste jedoch, wie ich mein Gewicht einzusetzen hatte. Helena war keine Feder, aber sie war nie die Art Wildfang gewesen, der in einem Gymnasium trainiert. Zu dritt hingen wir da. Die Soldaten hinter uns hatten sich anscheinend von dem Diebesgut
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