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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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nicht wie ein Mann aus, der Chloris’ Geschichte belauscht hatte. »Darf es sonst noch etwas sein, Herr?«, fragte er respektvoll.
    »Nein danke.« Ich hatte nichts angerührt. »›Die Wiege im Baum‹«, sagte ich mit einem Blick auf das Schild, auf dem eine gelbe Wiege zwischen ein paar dürren Ästen abgebildet war. »Das ist ein ungewöhnlicher Name für eine Imbissbude.«
    Er lächelte nur und murmelte: »Sie hieß schon so, als ich übernommen habe.«
    Allmählich begannen mich Namen von Imbissbuden und Weinschenken zu interessieren.

XXIX
     
     
     
    Weil ich nachdenken wollte, schlich ich mich unauffällig in die Residenz zurück. Drinnen mied ich Bereiche, in denen mir Leute begegnen konnten, und fand einen Empfangsraum im oberen Stock, von dem Türen auf einen langen Balkon über einem gepflegten Garten hinausführten. Dort ließ ich mich auf einer niedrigen Sonnenliege im Schatten nieder. Von unten hörte ich das Plätschern von Springbrunnen und das gelegentliche Tschilpen erhitzter kleiner Spatzen, die im halb verdunsteten Wasser der Brunnenbecken herumplantschten. Mit einem kühlen Getränk hätte es die perfekte Art sein können, den Nachmittag zu verbringen. Leider hatte ich mir auf dem Weg nach oben nichts zu trinken mitgenommen.
    Der Tag war so warm, dass ich in Rom hätte sein können. (Ach, wie gerne!) Man merkte jedoch den Unterschied. Der Pollenflug von Blumen und Bäumen war stark, aus dem Garten unter mir stieg der Duft von Augustrosen auf, vermischt mit ländlichen Gerüchen – aber es roch nicht nach Pinien. Und die große Flussmündung war deutlich zu spüren, ab und zu kreischten Möwen, die um die vor Anker liegenden Schiffe nach Futter suchten. Jeder konnte erkennen, das Londinium ein Hafen war. Und dazu einer, der ein fremdländisches Gefühl vermittelte.
    Die dünne Auflage der Sonnenliege war feucht. Man hatte sie eingelagert, bis diese Hitzewelle sich festgesetzt hatte, als befürchtete man, das gute Wetter hielte nur vorübergehend. Gartenmöbel mussten in Britannien beweglich sein; als sich unten zwischen den Blumenbeeten etwas bewegte, hörte ich Stuhlbeine über den Kies kratzen, von den Stühlen, die sich die Leuten selbst mitbrachten und aufstellten.
    Es waren Maia und Aelia Camilla. Ich wäre nach drinnen geschlüpft, aber ich hörte, dass sie darüber sprachen, wie Maia Petronius gefunden hatte, um ihm vom Tod seiner Töchter zu erzählen. Vielleicht hatte sich die Freundschaft zwischen den beiden Frauen dadurch verbessert, denn meine Schwester und die Frau des Prokurators plauderten heute freier miteinander als zuvor. Ihre Stimmen klangen deutlich bis zu meinem Liegeplatz hinauf. Ich weigerte mich, wegen meines Lauschens ein schlechtes Gewissen zu haben; sie hätten diskreter sein können.
    »Das war ein schlimmer Augenblick, Maia – nehmen Sie doch ein Kissen, meine Liebe –, verübeln Sie es ihm nicht, dass er so kurz angebunden war.«
    »Oh, das tu ich auch nicht. Es kommt mir nur so vor, als käme er mit meinen Kindern leichter zurecht als mit mir.«
    »Sie sollten sich Sorgen machen, wenn er nur mit Ihren Kindern zurechtkäme.«
    »Ja. Na gut, das bin ich eben – eine Mutter!« Maias knappe Antwort hallte durch den ummauerten Garten. »Alle scheinen nur das in mir zu sehen und mich entsprechend zu behandeln.«
    »Da spricht eine edle Matrone.« Es klang, als ob Aelia Camilla traurig lächelte. »Sobald wir Kinder haben … Natürlich gibt es für eine Braut und ihren frisch gebackenen Ehemann zumindest eine Zeit, in der man sich gegenseitig als Erwachsene behandelt. Das verliert sich nie ganz.«
    Aelia Camilla hatte jetzt eine ganze Reihe Kinder, unter ihnen zumindest ein Zwillingspärchen. Maia schien gerechnet zu haben, denn sie fragte: »Sie haben Ihr erstes Kind relativ spät bekommen, oder?«
    »Flavia. Ja. Wir mussten ein paar Jahre warten, um mit Flavia gesegnet zu werden.«
    »Und Sie wussten nie, warum …«
    »Es schien unerklärlich«, stimme Aelia Camilla zu. Irgendwas ging hier vor.
    »Sie haben sich also erstmal vergewissert, ob Sie das Kind wirklich haben wollten?« Meine Schwester konnte so direkt sein, dass es rüde war.
    Zu meiner Überraschung nahm die Frau des Prokurators es gut auf. »Maia Favonia, unterstellen Sie mir keine unredlichen Praktiken!« Sie klang amüsiert.
    »Oh, das würde ich niemals tun!« Maia lachte ebenfalls. »Allerdings frag ich mich, ob Gaius Flavius das weiß.«
    »Sie erwarten doch nicht, dass ich das beantworte.«

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