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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nicht ertragen, dass jemand ihn früher kannte als sie…»
    «Ja, ich verstehe. Und die drei jungen Leute? Coleman – er wurde sentimental ihr gegenüber?»
    Ich musste lachen. «Es war zu komisch, Monsieur Poirot, sonst ist er ein ganz normaler junger Mann.»
    «Und die beiden andern?»
    «Von Mr Emmott weiß ich nichts. Er ist immer sehr ruhig. Sie war stets freundlich zu ihm, nannte ihn David und zog ihn wegen Miss Reilly auf.»
    «Wie nahm er das auf?»
    «Ich weiß es wirklich nicht», sagte ich. «Er sah sie nur kühl an, und man wusste nicht, was er dachte.»
    «Und Mr Reiter?»
    «Zu ihm war sie nicht sehr freundlich», antwortete ich langsam. «Ich glaube, er ging ihr auf die Nerven. Sie sprach immer etwas sarkastisch mit ihm.»
    «Und er?»
    «Er wurde ganz rot, der arme Kerl. Aber sie meinte es natürlich nicht böse.»
    Er tat mir ja Leid, aber dann kam mir auf einmal in den Sinn, dass er sehr gut ein kaltblütiger Mörder sein und sich die ganze Zeit verstellt haben könnte.
    «Oh, Monsieur Poirot», rief ich. «Was glauben Sie denn, was wirklich passiert ist?»
    Er schüttelte nachdenklich den Kopf. «Sie fürchten sich doch nicht, heute Abend wieder nach Yarimjah zurückzukehren?»
    «Nein», antwortete ich. «Ich habe zwar nicht vergessen, was Sie sagten, aber wer sollte mich ermorden wollen?»
    «Ich glaube es auch nicht», erwiderte er bedächtig. «Nein, ich glaube… ich bin sogar sicher… dass Sie nicht in Gefahr sind.»
    «Wenn mir das in Bagdad jemand gesagt hätte…», begann ich, wurde aber von ihm unterbrochen.
    «Hörten Sie irgendwelches Gerede über das Ehepaar Leidner und die andern Expeditionsmitglieder, bevor Sie herkamen?»
    Ich erzählte ihm von Mrs Leidners Spitznamen und das, was Mrs Kelsey über sie gesagt hatte. Während ich sprach, öffnete sich die Tür und Miss Reilly trat ein. Sie kam vom Tennisspielen und trug ein Racket in der Hand. Sie grüßte, nahm ein Sandwich und fragte: «Na, Monsieur Poirot, wie kommen Sie mit dem großen Geheimnis voran?»
    «Nicht sehr gut, Mademoiselle.»
    «Wie ich sehe, haben Sie die Schwester aus dem Wrack gerettet?»
    «Schwester Leatheran hat mir wichtige Informationen über die verschiedenen Expeditionsmitglieder gegeben. Vor allem habe ich viel über das… Opfer erfahren. Und das Opfer, Mademoiselle, ist oft der Schlüssel zum Geheimnis.»
    «Das stimmt, Monsieur Poirot. Und wenn je eine Frau es verdient hat, ermordet zu werden, war es Mrs Leidner.»
    «Miss Reilly!» rief ich empört.
    «Ah», entgegnete sie kurz und böse auflachend, «ich glaube, Sie wissen nicht Bescheid. Schwester Leatheran war ebenso hingerissen von ihr wie viele andere. Ich hoffe, dass dieser Fall kein Erfolg für Sie wird, Monsieur Poirot, ich wünsche dem Mörder von Louise Leidner, dass er davonkommt. Ich hätte nicht viel dagegen gehabt, sie selbst aus dem Weg zu schaffen.»
    Das Mädchen empörte mich, aber Monsieur Poirot verbeugte sich und sagte liebenswürdig: «Dann hoffe ich nur, dass Sie ein Alibi für gestern Nachmittag haben.»
    Einen Augenblick herrschte Schweigen, und Miss Reillys Racket fiel lärmend zu Boden. Unordentlich wie sie war, nahm sie sich nicht die Mühe, es aufzuheben, und entgegnete sichtlich verstört: «O ja, ich habe im Club Tennis gespielt. Aber im Ernst, Monsieur Poirot, ich glaube, Sie wissen nicht, was für eine Frau Mrs Leidner war.»
    Wieder machte er eine leichte, komische Verbeugung und sagte: «Würden Sie mich aufklären, Mademoiselle?» Erst sträubte sie sich, dann aber sprach sie mit einer Kälte und Taktlosigkeit, dass mir richtig schlecht wurde.
    «Es heißt, man soll Toten nichts Schlechtes nachsagen. Ich finde das dumm. Die Wahrheit bleibt stets die Wahrheit. Im Allgemeinen ist es besser, über Lebende nichts zu sagen, man könnte sie beleidigen; den Toten aber schadet das nicht mehr. Hat die Schwester Ihnen von der merkwürdigen Atmosphäre in Tell Yarimjah erzählt? Hat sie Ihnen erzählt, wie nervös alle waren? Und wie sich alle anschauten, als seien sie Todfeinde? Das war Louise Leidners Werk. Vor drei Jahren waren die Expeditionsmitglieder die lustigste und vergnügteste Gesellschaft, die man sich vorstellen kann. Auch voriges Jahr ging noch alles gut. Aber in diesem Jahr schien eine wahre Seuche ausgebrochen zu sein… und das war ihr Werk. Sie konnte es nicht ertragen, dass jemand zufrieden und glücklich war. Es gibt solche Frauen, und sie war eine von ihnen. Sie wollte alles zerstören. Nur zum Spaß…

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