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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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um sich selbst ihre Macht zu beweisen… Und außerdem war sie eine von den Frauen, die jeden Mann zu ihren Füßen sehen müssen.»
    «Miss Reilly», rief ich, «das stimmt nicht, ich weiß, dass es nicht stimmt.»
    Ohne mich zu beachten, sprach sie weiter: «Es genügte ihr nicht, dass ihr Mann sie anbetete. Sie musste selbst diesen langbeinigen Trottel Mercado zum Narren halten. Dann stürzte sie sich auf Bill. Bill ist ein vernünftiger Bursche, aber sie machte ihn ganz durcheinander. Und sie quälte Carl Reiter – das war leicht, denn er ist ein sensibler Junge. Mit David wollte sie es auch versuchen, aber er wehrte sich. Er spürte ihren Zauber… fiel aber nicht darauf herein. Vermutlich war er so vernünftig zu merken, dass ihr im Grunde an keinem etwas lag. Und darum hasste ich sie auch so sehr. Sie war kein bisschen sinnlich. Sie wollte keine Liebeleien, es war alles nur kalte Berechnung, und es machte ihr Spaß, die Leute durcheinanderzubringen. Sie war eine Art weiblicher Jago. Sie liebte Skandal, aber sie selbst wollte nicht mit hineinverwickelt werden. Sie hielt sich immer draußen… und hatte ihren Spaß daran. Verstehen Sie, was ich meine?»
    «Vielleicht besser, als Sie denken, Mademoiselle.»
    Sheila Reilly schien zu merken, was er meinte, denn sie errötete heftig.
    «Sie können denken, was Sie wollen», rief sie, «aber ich habe Recht. Sie war eine kluge Frau, doch sie langweilte sich und experimentierte mit Menschen… wie andere Leute mit Chemikalien. Es machte ihr Spaß, auf den Gefühlen der guten alten Johnson herumzutrampeln und die kleine Mercado zur Weißglut zu bringen. Sie genoss es, mich an meiner empfindlichsten Stelle zu treffen… und tat es, so oft sie konnte. Sie liebte es, Sachen über andere herauszubekommen und dann ein Damoklesschwert über ihnen schweben zu lassen. Oh, ich meine nicht, dass sie erpresste… sie ließ die andern nur wissen, dass sie wus s te… und ließ sie im Ungewissen über ihre Absichten. Ich glaube, darin war sie eine Künstlerin, sie hatte ihre Methoden gut ausgearbeitet.»
    «Und ihr Mann?» unterbrach sie Poirot.
    «Ihm wollte sie nie wehtun», antwortete Miss Reilly langsam. «Zu ihm war sie immer reizend. Ich glaube, sie liebte ihn, und er ist ja ein fabelhafter Mensch, in seine eigene Welt versponnen, in seine Ausgrabungen und Theorien. Er vergötterte sie und hielt sie für vollkommen. Das hätte manche Frau gelangweilt, sie aber nicht… obwohl es sich schwer in Einklang bringen lässt mit … » Sie hielt inne.
    «Fahren Sie fort, Mademoiselle», sagte Poirot.
    Nun wandte sie sich plötzlich an mich: «Was haben Sie Monsieur Poirot über Richard Carey gesagt?»
    «Über Mr Carey?» wiederholte ich erstaunt.
    «Über sie und Carey»
    «Dass ich den Eindruck hatte, sie konnten sich nicht leiden.»
    Zu meiner Überraschung brach sie in Lachen aus. «Nicht leiden! Sie Dummkopf! Er war irrsinnig in sie verliebt! Und es machte ihn völlig fertig, weil er an Leidner sehr hängt und seit Jahren mit ihm befreundet ist. Das genügte ihr natürlich. Das wollte sie ja, sie wollte sich zwischen die beiden stellen. Aber ich glaube… ich glaube, in diesem Fall war sie zu weit gegangen, es hatte auch sie gepackt. Carey sieht aus wie ein Gott. Sie war eiskalt … aber ihm gegenüber, glaube ich, hatte sie ihre Kälte verloren…»
    «Ich finde es empörend, was Sie sagen», rief ich. «Die beiden haben doch kaum miteinander gesprochen.»
    «So, meinen Sie? Keine Ahnung haben Sie. Im Haus waren sie füreinander ‹Mr Carey› und ‹Mrs Leidner›, aber sie trafen sich draußen, am Fluss. Ich sah einmal, wie er von ihr zur Arbeit zurückging, und sie blickte ihm nach. Ich hatte mein Fernglas bei mir und konnte ihr Gesicht genau sehen. Ich glaube, dass auch sie sich sehr viel aus Carey machte… Entschuldigen Sie», wandte sie sich zu Poirot, «dass ich mich eingemischt habe, aber ich fand, Sie sollten unsere lokalen Angelegenheiten im richtigen Licht sehen.» Und damit verließ sie das Zimmer.
    «Monsieur Poirot», rief ich, «ich glaube ihr nicht ein Wort!»
    Er blickte mich an und sagte: «Sie müssen zugeben, dass Miss Reillys Erzählung einiges Licht auf den Fall geworfen hat.»

19
     
    W ir konnten nicht weitersprechen, weil gerade Dr. Reilly hereinkam, mit dem Monsieur Poirot dann über die Psychologie anonymer Briefschreiber sprach. Der Arzt erzählte von Fällen aus seiner Praxis, und Monsieur Poirot wartete ebenfalls mit verschiedenen Beispielen auf.

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