Mord in Mombasa: Thriller (German Edition)
zwanzigsten Jahrhunderts, hatten vom einstigen Mittelpunkt der zivilisierten Welt wenig mehr übrig gelassen als einen antiken Müllhaufen: pockennarbige Säulen, leere Hüllen und verstreute Säulen. Doch als er jetzt auf dem Gipfel des kapitolinischen Hügels stehen blieb und zurück zum Kolosseum blickte, konnte Whitestone sich unschwer ausmalen, wie dieser Ort zu seiner Blütezeit ausgesehen haben musste: Die Tempel und Triumphbögen glänzten im Sonnenlicht, auf dem Forum drängten sich Menschen aus aller Herren Länder, ein wunderbarer Mischmasch der Kulturen, die von Rom angezogen wurden wie die Motten vom Licht.
Oben angekommen, überquerte er die Piazza, in deren Mitte die Bronzenachbildung von Marc Aurel auf seinem Pferd stand, und löste eine Eintrittskarte für den Palazzo dei Conservatori. Eine selige Stunde lang spazierte er durch herrlich verzierte Räume mit hohen Decken, in denen riesige Fresken die Geschichte Roms erzählten und protzige Bernini-Skulpturen neben tiefsinnigen religiösen Gemälden von Caravaggio, Tintoretto und Tizian standen. Dann überquerte er die Piazza, um den Palazzo Nuovo zu besuchen. Dieser zweite Teil des Museums beherbergte Hunderte von Statuen und Büsten. In manchen von ihnen erkannte man römische Kaiser oder führende Gestalten der Antike wieder, andere Namen und Leben waren in den Jahrhunderten, die seit ihrem Tod vergangen waren, völlig in Vergessenheit geraten.
Whitestone warf einen Blick auf seine Uhr und setzte sich dann vor einem Saal auf eine Bank. Gegenüber stand eine Reihe von Köpfen antiker Philosophen. Wenig später nahm ein Mann neben ihm Platz. Er war kräftig, hatte stahlgraues Haar und trug eine Brille mit massivem Gestell. Als er den Mund aufmachte, schlug er den eindringlichen Ton eines Menschen an, der gehört, aber nicht belauscht werden will.
»Ich habe viel Gutes von Ihnen gehört«, kam er sofort zum Thema. »Die Organisation war sehr beeindruckt davon, wie Sie mit unseren russischen Kunden umgehen.«
»Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, ich könnte jemandem auf den Schlips getreten sein«, erwiderte Whitestone und verbarg seine Befriedigung.
»Machen Sie sich keine Sorgen um anderer Leute Schlipse, nur um Ihren eigenen. Ich habe auch von Barclay gehört.«
»Ich hatte das Gefühl, dass mir keine andere Wahl blieb.«
»Natürlich nicht. Sie haben genau das Richtige getan. Dieser englische Trottel. Erinnern Sie mich daran, dass wir bei Gelegenheit mal zusammen Golf spielen gehen. Nach allem, was man so hört, müssen Sie ja einen prächtigen Abschlag haben.«
Der Mann lachte der Form halber, und Whitestone lächelte.
»Wie auch immer«, fuhr der andere fort, »dieser Geschäftszweig verspricht zwar große Gewinne, ist aber sehr sensibel. Es gibt leider zu viele Leute, die zu viel reden und zu viele Fragen stellen. In Südeuropa weiß niemand mehr, was Diskretion bedeutet.«
»Das ist mir auch schon aufgefallen.«
Der Mann nickte. »Deswegen müssen wir uns auch vermehrt dem Osten zuwenden. Dieser Russe – wie war noch mal sein Name?«
»Zasochow.«
»Genau. Die Organisation ist sehr erfreut, dass es Ihnen gelungen ist, ihn für uns zu gewinnen.«
»Ich glaube, er weiß einfach einen gewissen Dienst am Kunden zu schätzen, das ist alles.«
»Tja, da ist er nicht der Einzige.«
Whitestone spitzte die Ohren.
»Zasochow hat ein paar Freunde an höchster Stelle, die Interesse an unserem ostafrikanischen Produkt bekundet haben. Und wir reden hier von Blue-Chip-Kunden. Wie schnell können Sie eine Lieferung organisieren?«
»Wir stehen jederzeit bereit«, erwiderte Whitestone rasch. »Zwei, drei Tage.«
Sie schwiegen kurz, während eine Touristengruppe an den Philosophenköpfen vorbeilief, um dann wieder in den großen Korridor zurückzuströmen.
»Ich habe gehört, es gab da ein Problem in Kenia«, sagte Whitestones Kontaktmann.
Verdammt . »Nur eine kleine Panne vor Ort. Ein Kurier, der sich nicht an die Regeln gehalten hat. Aber das Team da unten hat große Erfahrung, sie haben schon Ersatz gefunden.«
»Gut – denn diese Bestellung kommt von allerhöchster Stelle. Und ich möchte, dass Sie sich höchstpersönlich darum kümmern.«
»Natürlich. Können Sie mir Details mitteilen?«
Der Mann überreichte Whitestone einen Umschlag. Whitestone fand es immer wieder rührend, dass die Organisation in dieser hochtechnisierten Zeit noch am guten alten Papier und Füllfederhalter festhielt. Er öffnete den Umschlag, und als er
Weitere Kostenlose Bücher