Mord in Mombasa: Thriller (German Edition)
das Schreiben las, malte sich auf seinem Gesicht die Überraschung.
»Zwanzig. Ist das alles?«
»Es soll nur eine Kostprobe sein. Ich habe gar keinen Zweifel, dass Sie für die allerhöchste Qualität der Lieferung Sorge tragen werden.«
»Kein Problem. Ich werde sofort ein Treffen mit Kanga vorbereiten.«
»Okay«, sagte der Mann. Dann setzte er ein väterliches Lächeln auf. »Das könnte das Sprungbrett sein, auf das Sie gewartet haben. Machen Sie Ihre Sache gut, und der Job gehört Ihnen.«
»Ich würde niemals …«
»Na, nun seien Sie doch nicht so bescheiden. Sie haben die Anerkennung verdient. Ich für meinen Teil bin draußen, sobald ich einen Ersatzmann empfehlen kann. Also, setzen Sie diese Sache bloß nicht in den Sand, haben Sie mich verstanden?«
»Das werde ich bestimmt nicht«, versicherte Whitestone.
Gedankenverloren starrte der Mann auf die Reihe der augenlosen Büsten. »Glauben Sie, die würden bei meiner Pensionierung so eine von mir machen lassen, wenn ich sie nett drum bitte? So was würde sich auf meinem Kaminsims viel hübscher ausnehmen als eine Reiseuhr.«
21
E ine Stunde, nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Vater vermisst wurde und vermutlich tot war, zitierte Martha Bentley den Anwalt Lloyd Jasper in ihr Büro mit dem Ausblick über Battery Park und entließ ihn fristlos.
Lloyds erste Reaktion war ein Lachen gewesen. Er war schließlich der Vizepräsident von Rubinstein Zeigler, ein Mann mit mehr als vierzig Jahren juristischer Erfahrung im Dienst der hochkarätigsten Unternehmen: ein Mann, der bereits Deals an der Wall Street gemacht hatte, als Martha Bentley noch an der Mutterbrust nuckelte, verdammt.
Als Martha ihn darauf hinwies, dass er bei diesen Deals systematisch satte Provisionen eingeschoben hatte, verlor Lloyd die Fassung. Wie lange war sie schon bei der Firma? Fünf Minuten? Was zum Teufel wusste sie denn bitte darüber, wie die Dinge hier liefen? Wenn es irgendetwas zu bereden gab, würde er sich an Carl Rubinstein wenden und nicht an dieses rotznäsige Gör aus Yale.
An diesem Punkt belehrte ihn Martha, dass sie ihr Summa-cum-laude -Examen an der Michigan-State-Universität abgelegt hatte, und zweitens Carl Rubinstein selbst sie angewiesen habe, ihn zu feuern.
Lloyds Gesicht wurde so grau wie sein volles Haar.
Die Sekretärinnen waren in Tränen aufgelöst, ebenso einige langjährige Angestellte. Die anderen Mitarbeiter starrten Martha mit einer Mischung aus Angst und Feindseligkeit durch die Glaswände ihres Büros an, als wäre sie eine Giftschlange in einem Karton.
Was diese Leute dachten, war ihr jedoch herzlich gleichgültig. Lloyd Jasper war zwar der Liebling der Kanzlei, aber er war auch ein Gauner. Und zwar die schlimmste Sorte Gauner. Nämlich die Sorte, die der Überzeugung war, gar kein Gauner zu sein. Wenn Lloyd die Geschenke der Konzerne einkassierte, hielt er das für okay, weil diese Bestechungsgelder die Räder der Wirtschaft schon seit Menschengedenken geschmiert hatten. Dass irgendwo am Ende dieser Reihe ein kleines Geschäft oder ein bedrängter Mensch dran glauben musste, war Lloyd egal. Aus den Augen, aus dem Sinn, das galt auch für einen netten Kerl wie Lloyd, der bei der alljährlichen Weihnachtskollekte immer tief in die Tasche griff und eine Patenschaft für eine Kriegswaise in Afghanistan übernommen hatte.
Nein, Martha würde Lloyd Jasper keine Träne nachweinen, auch wenn er kurz vor der Rente stand.
Andererseits kamen Martha sowieso nicht so schnell die Tränen.
Die Nachricht, dass ihr Vater höchstwahrscheinlich tot war, betäubte sie, aber nur in der Art, wie der Tod eines nahestehenden Menschen eben die Sinne aus dem Gleis bringt. Zu keinem Moment fühlte sie jedoch den überwältigenden Schmerz einer Tochter, die ihren Vater verloren hat. Eigentlich wusste sie auch nicht so recht, was für ein Verhalten man von einer Tochter erwartete, die gerade ihren Vater verloren hatte.
Sogar Patrick nahm an, dass sie an einer Art posttraumatischem Schock litt und dass man ihr helfen musste, ihre Trauer auszuleben.
»Es ist okay, Schatz«, flüsterte er ihr zu, als sie am Morgen vor ihrem Flug nach Nairobi im Schlafzimmer des Apartments an der Upper East Side lagen. »Lass es raus.«
Doch da gab es nichts zum Rauslassen. Als sie von ihrem Platz in der ersten Klasse auf den Asphalt der Startbahn starrte und darauf wartete, dass sie den JFK-Flughafen verließen, fühlte sie nur den pragmatischen Reflex des Anwalts, die
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