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Mord in Tarsis

Mord in Tarsis

Titel: Mord in Tarsis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Dinge bemerken, die wir übersehen.« Er klopfte an einen Türpfosten, und ein kurzhaariger Sklave kam heraus. Der Mann musterte sie schnell mit seinen braunen Augen.
    »Wir sind gekommen, um mit Schattensprecher zu reden«, erklärte Nistur. »Sei so gut und hole ihn. Wir kommen mit Erlaubnis von Kyaga Starkbogen persönlich.«
    Der Mann antwortete nicht, hielt aber die Eingangsklappe zur Seite und wies sie an einzutreten. Sie duckten sich unter dem Holzrahmen hindurch und gingen hinein. Auf weitere Gesten des Sklaven hin nahmen sie auf Lederkissen Platz, und der Sklave verschwand in einem rückwärtigen Teil des Zelts.
    »Ein wortkarger Mann«, stellte Eisenholz fest.
    »Aus gutem Grund«, sagte Nistur. »Er hat keine Zunge.«
    »Er muß der Sklave sein, von dem der Betrunkene erzählt hat, der Kyaga und den Schamanen bedient«, meinte Muschelring.
    »Zweifellos«, sagte Nistur. »Es ist ganz und gar nicht ungewöhnlich, daß Herrscher stumme Diener haben, die keine Geheimnisse ausplaudern können.«
    Muschelring sah sich um. »Was für ein unheimlicher Ort. Mir gefällt es hier nicht.« Amulette und getrocknete Tiere hingen im ganzen Zelt herum. In einer Ecke saß etwas, das wie ein mumifizierter Mensch aussah, dessen eingefallene Züge sie mit zahnlosem Mund und Augen wie getrocknete Datteln verhöhnten. Auf einem kleinen Herdfeuer schmorten gebündelte Kräuter, die einen übelriechenden Rauch aufsteigen ließen.
    »Stunbogs Kabine steckt auch voller magischer Gegenstände«, meinte Nistur beruhigend.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Das ist etwas anderes. Ich weiß, daß Stunbog niemals andere Leute verzaubern oder die Toten herbeirufen würde. Ich finde, die Toten sollten tot bleiben.« Mißtrauisch und furchtsam blickte sie die Mumie an. »Und sie sollten auch nicht benutzt werden, um damit ein Heim zu schmücken.«
    »Nun«, sagte Nistur, »das könnte ein geliebter Vorfahre sein. Stell dir vor, was für interessante Gespräche sie vielleicht führen. Ich verstehe schon, daß eine solche Person einen lustigen Gefährten abgeben könnte, wenn man die Gesellschaft dieser Barbaren leid ist, denn deren Talent für unterhaltsame Gespräche ist ungewöhnlich begrenzt.«
    »Oh, sei still!« fauchte sie. »Über solche Sachen scherzt man nicht!« Durch das Barbarenlager und das unheimliche Zelt des Schamanen waren Muschelrings Nerven zum Zerreißen gespannt, so daß Nistur sie nicht weiter reizte.
    Vom hinteren Teil des Zelts kam ein Schlurfen und Klappern, und dann trat Schattensprecher durch einen Vorhang. Im Dämmerlicht des Zelts war er kaum mehr als eine gestaltlose Masse. Dann warf er eine Handvoll von irgend etwas auf das Feuer, das hell aufflackerte, obwohl es seltsamerweise keine Wärme abgab. Jetzt war es so hell, daß sie seine grüne Gesichtsfarbe und die braunen Augen hinter den bizarren Amulettsträngen erkennen konnten. Vorher, in Kyagas Zelt, war er von der Gegenwart seines Häuptlings in den Schatten gestellt worden. Hier, wo er zu Hause war, war Schattensprecher eine eindrucksvolle, erschreckende Gestalt. Er stand einen Augenblick vor ihnen, dann sank er auf ein Kissen.
    »Was wollt ihr von Schattensprecher?«
    »Wir müssen Euch einige Fragen stellen«, sagte Nistur, »über Yalmuk Blutpfeil.«
    »Yalmuk ist tot«, sagte der Schamane. »Wollt ihr, daß ich mit seinem Schatten Kontakt aufnehme, damit ihr mit ihm reden könnt?« Trotz seines starken Akzents hörten sie die Belustigung in seiner Stimme.
    »Versucht nicht, mit uns zu spielen«, warnte ihn Nistur. »Kyaga selbst hat uns die Erlaubnis erteilt zu befragen, wen immer wir wollen, einschließlich Euch.«
    »Glaubt ihr, ihr kennt Kyaga Starkbogen so gut wie ich?« fragte der Schamane. »Ich war der, der das Kommen des großen Eroberers vorhergesagt hat. Ich bin in die Eisebenen hinausgezogen, habe viele Tage gefastet und auf eine Vision gewartet. Ich habe mich geschnitten und mein Blut in den Schnee fließen lassen, bis ich mehr tot als lebendig war. Und als ich fast tot war, haben die Geister der Ebenen und die Geister meiner Ahnen mir anvertraut, was ich gesucht hatte.«
    Er warf etwas auf das kalte Feuer, und dieses Mal flammte es gleißend grün auf. »Vor mir sah ich einen mächtigen weißen Hirsch, zehnmal so groß wie ein echter Hirsch aus Fleisch und Blut. Es war ein Geisthirsch, und er war weißer als der Schnee der Ebenen. Ein goldener Greif erhob sich vor dem Hirsch, und der Hirsch hat ihn getötet, bevor er in den Himmel sprang

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