Mord ist kein Geschäft
nickte kurz. »Die Heldin endete im Palast eines östlichen Potentaten, wo sie
ihren eigenen Harem von zweihundert muskelstrotzenden Jungen hatte .«
»Ja ?« sagte ich mit erstickter Stimme.
»Ich heiße Dorothy Prentice , meine Freunde nennen mich Dottie «,
fügte sie hinzu.
»Das paßt aufs Haar !«
»Wenn Sie mal einen Abend frei
haben, besuchen Sie mich«, schlug sie in beiläufigem Ton vor. »Ich glaube, ich
würde gern den Versuch unternehmen, Sie vor erotischer Begierde halb von Sinnen
werden zu lassen. Um aufs brutalste ehrlich zu sein, Mr. Holman ,
Sie sehen so aus, als ob Sie leicht zu verführen wären .«
»Schon möglich«, sagte ich und
stellte fest, daß meine Stimme noch immer erstickt klang.
»Großartig!« Sie ließ mir
erneut ihr Barrakuda-Lächeln zukommen. »Und nun, nachdem Ssie ßiegreich der Ssonne entgegengehen wollen — warum tun Ssie’ß nicht ?«
Die langen hellen Korridore des
Bürogebäudes summten nur so vor Leben und Geschäftigkeit, als ich sie um elf
Uhr vierzig an diesem Morgen entlangging. Es gab eine Barriere von drei
Sekretärinnen und zwei persönlichen Assistenten zu überwinden, um ins innere Heiligtum Jason Wagners vorzudringen, aber als ich
meinen Namen nannte, schmolz sie dahin wie die Widerstandskraft eines Starlets
bei der Aussicht auf eine Karriere. Ich wurde erwartet, Mr. Wagner war in
seinem Büro, und ob ich bitte gleich dorthin gehen würde? Unter anderen
Umständen hätte ich mich geschmeichelt gefühlt, aber in meiner derzeitigen
Situation fühlte ich mich wie Daniel, kurz vorm Betreten der Löwengrube.
An diesem Vormittag trug er
einen konventionellen Anzug, und ich nahm an, der japanische »Happy«-Morgenrock
sei für die speziellen Gelegenheiten gedacht, bei denen er noch spät in seinem
Büro arbeitete. Im übrigen war alles wie in der vorhergehenden Nacht, bis zu der riesigen fest zwischen
die rundlichen Finger geklemmten Zigarre.
»Sie haben sich bereits zehn
Minuten verspätet, Holman «, knurrte er. »Also dalli!«
»Ich nehme an, es ist jetzt
nicht der richtige Zeitpunkt, von Ethik zu sprechen, Mr. Wagner«, sagte ich
vorsichtig.
»Was für eine Ethik? Ich bin
von dem Augenblick an, als ich Sie gestern anrief, Ihr Kunde !« Die Augen mit den schweren Lidern betrachteten schnell und prüfend mein
Gesicht, und das, was sie dort sahen, mißfiel ihnen offensichtlich.
»Selbsternannter Kunde«,
erinnerte ich ihn. »Wie ich Ihnen schon sagte, hatte ich bereits eine
Auftraggeberin, bevor Sie mich anriefen .«
Die dicke Zigarre beschrieb
einen kurzen Bogen durch die Luft, meine ethischen Vorstellungen dabei ein für allemal beiseite schiebend. »Ich habe Ihnen gesagt«,
erklärte er forsch, »daß ich den Namen wissen will .«
»Und ich habe Ihnen gesagt, daß
ich ihn Ihnen nicht mitteilen werde«, erwiderte ich, meine Stimme an Forschheit
der seinen angepaßt . »Und ich habe meine Ansicht
nicht geändert .«
»Dann können Sie ab sofort Ihre
Arbeit in der Filmindustrie einstellen, Holman «,
sagte er barsch. »Guten Tag.«
»Aber ich arbeite trotzdem nach
wie vor für meine Auftraggeberin, Mr. Wagner«, erinnerte ich ihn. »Und je
tiefer ich in die Sache hineingerate, desto mehr scheint mir, daß nicht nur
Ihre Privatsekretärin in die Affäre verwickelt war .«
Sein Mund preßte sich zusammen.
»Wovon, zum Kuckuck, babbeln Sie da eigentlich, Holman ?«
»Gladys Pearson wurde ermordet,
während sie bei einem Mann war, der meine Auftraggeberin erpreßt hat«, sagte
ich kalt. »Sie selber haben mir mitgeteilt, daß sie Zugang zu einer Menge
privater und vertraulicher Informationen in diesem Büro hier hatte. Vielleicht
war also meine Auftraggeberin nicht das einzige Opfer — vielleicht hat Miss
Pearson diese privaten und vertraulichen Informationen dazu benutzt, um Westerway zu helfen, andere Leute ebenfalls zu erpressen .«
»Ich weiß nicht, wovon Sie
reden, verdammt noch mal«, krächzte er. »Und es ist mir auch egal. Machen Sie,
daß Sie rauskommen !«
»Wenn ich nach einem anderen
Erpressungsopfer Ausschau hielte«, fuhr ich langsam fort, »dann würde ich
vermutlich nach einem Mann in scheinbar unangreifbarer Position suchen, der
etwas zu verbergen hat. Etwas, das sich vielleicht vor einer Privatsekretärin
nicht verbergen ließ, die so nahen Umgang mit ihm pflegt — etwas, das ihn
ruinieren könnte, wenn die Wahrheit herauskäme. Bei einem Mann, der so
bedeutend ist wie der, den ich im Auge habe, müßte es sich um mehr
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