Mord ist kein Metier für Mädchen
keine
Ahnung«, murmelte ich.
»Vielleicht Ihre Sekretärin,
die noch zum Diktat kommt ?« erklärte sie mit einem
gehässigen Unterton in der Stimme. »Wissen Sie noch? Die mit den großen Füßen?«
Ich ging in die Diele und
öffnete die Tür. Draußen stand ein großer Kerl mit einem höflichen Lächeln im
Gesicht. Er war um die Dreißig, fein säuberlich rasiert und hatte einen
Charakterkopf voll glänzendschwarzer Haare. Er trug einen mitternachtsblauen
Maßanzug, ein Hemd mit schwarzweißen Längsstreifen, dazu weißen Kragen und
ebensolche Manschetten sowie eine handgewebte italienische Krawatte. Wirklich
ein Mann, der auf seine Kleidung hielt.
»Mr. Boyd?« Er nickte mir
leutselig zu. »Es tut mir leid, wenn ich Sie störe, aber ich habe eine
dringende Mitteilung von Mr. Slater an Miss O’Byrne zu überbringen .«
»O ja, natürlich«, sagte ich.
»Kommen Sie...« Dann fiel mir plötzlich ein, daß er ja gar nicht gefragt hatte,
ob Sharon bei mir sei. Vorausgesetzt also, daß Slater keine hellseherischen
Fähigkeiten besaß, war folglich der einzige Weg, wie dieser Kerl von Sharons
Anwesenheit erfahren haben konnte, daß er uns hierher gefolgt war und... aber
da hatte ich schon viel zu lange gezögert. Die Mündung eines .38ers bohrte sich
unangenehm in meinen Magen.
»Wir wollen uns nicht aufregen,
Mr. Boyd .« Das Lächeln war noch höflicher geworden.
»Und wir wollen auch hübsch heil bleiben und am Leben, nicht wahr ?«
3
Der Ausdruck höflicher
Überraschung in Sharons Gesicht, als sie den Dandy hinter mir erblickte, wurde
rasch von verständnisloser Bestürzung abgelöst, sobald sie den Revolver in
seiner Hand gewahrte.
»Was...« Sie verschluckte sich.
»Was...«
»Mich dürfen Sie nicht fragen«,
sagte ich. »Ich habe nur die Tür geöffnet, weiter nichts .«
»Setzen Sie sich, Boyd .« Ein schmerzhafter Schubs mit dem .38er bekräftigte die
Aufforderung. »Dorthin, neben Miss O’Byrne.«
Ich tat wie geheißen, und er
lächelte uns beide freundlich an. »Niemand passiert etwas«, sagte er lässig.
»Sie dürfen nur keine Dummheiten machen, verstanden? Darf ich mal Ihr Telefon
benutzen ?«
»Tun Sie ganz so, als seien Sie
zu Hause«, sagte ich ihm. »Und wenn Sie gerade dabei sind, könnten Sie für mich
auch gleich die Polizei anrufen .«
»Sehr witzig.« Er ging zum
Telefon und hob den Hörer ab. »Wie war doch gleich Ihre Telefonnummer, Miss
O’Byrne ?«
Sie gab ihm automatisch die
Nummer, dann sperrte sie den Mund weit auf. »Wieso...?« Aber da war er schon
beim Wählen.
»Lonny ?« sagte er ein paar Sekunden später. »Hier spricht Dean. Ich habe sie beide bei
mir in Boyds Apartment... Klar, keinerlei Ärger. Willst du nicht auch gleich
rüberkommen ?... schön.« Er legte auf und kam auf uns
zu.
»In... in meiner Wohnung ist
ein Mann ?« Sharon zitterte.
»Er wartet dort, seit Sie
weggefahren sind, um Slater zu besuchen«, sagte er und nickte. »Aber Sie haben
sich für Boyds Wohnung entschieden, folglich vergeudet Lonny jetzt dort nur
seine Zeit .«
Er setzte sich uns gegenüber,
den Revolver schußbereit in der Hand, und schlug elegant die Beine
übereinander. Ich nahm eine Zigarette und zündete sie an, ganz, ganz langsam —
weil ich nämlich schon bei dem Gedanken Gänsehaut kriege, ich könnte einen
Profi nervös machen, während er mit einer Kanone auf mich zeigt.
»Dean ?« sagte ich. »Ein wirklich hübscher Name, paßt zu Ihrem feschen Habit. Sie haben
doch nichts dagegen, wenn ich Sie Dean nenne ?«
»Wenn Sie schön artig sind,
meinetwegen, Boyd«, sagte er kühl. »Aber wer unartig wird, fordert geradezu
eine Belehrung heraus — mit dem Revolverlauf quer über sein loses großes Maul,
wie ich zu sagen pflege .«
»Und was der Mann mit dem
Revolver meint, das stimmt immer, wie ich zu sagen pflege«, gab ich zu. »Wollen
Sie uns nicht erklären, was das alles zu bedeuten hat, lieber Freund ?«
»Warum nicht?« Er zuckte lässig
die Schultern. »Ich habe einen Kunden, der Sie beide am Flug nach London
hindern möchte, und er hat mich und Lonny beauftragt, das zu besorgen .«
Sharon starrte ihn an; ihre Unterlippe
zitterte und wirkte kein bißchen mehr sinnlich, und die lohfarbenen Augen
blinzelten erschrocken. »Wollen Sie damit sagen«, meinte sie zögernd, »daß...
daß Sie uns umbringen werden ?«
Dean sah mich an und seufzte
tief. »Das Mädchen hat aber Phantasie, finden Sie nicht auch, Boyd ?« Er sah sie an und zog eine Grimasse.
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