Mord ist schlecht fürs Geschäft
plötzlich.
|113| Sie schüttelte den Kopf, während sie sich umschaute und registrierte, wer alles hier nach Dienstschluss herumhing. Es waren Manager von Hotels und Pubs, außerdem Hotelbesitzer, die in ihren eigenen Buden verdammt hart arbeiteten.
Sie musterten einander, schauten einander in die Augen, taxierten mit flüchtigen Blicken die Erscheinung des anderen.
Steve bewunderte ihre makellose Haut. Ihr Gesicht mochte man eher angenehm als hübsch nennen. Ihr Haar war dunkel, die Augen blau, und sie hatte Beine bis zu den Schultern – zumindest wirkte es so.
»Prost!« Sie stießen an.
Honey sah ein goldenes Armband an seinem rechten Handgelenk blitzen. Das Haar war für einen Mann seines Alters verdächtig einfarbig. Doherty nahm den Ansturm der Lebensmitte jedenfalls nicht tatenlos hin. Sie fragte sich, ob er schon gemerkt hatte, dass er das mit Cora Herbert gemein hatte. Sie wagte es zu bezweifeln. Obwohl sie es nie zugeben wollten, waren Männer doch eitler als Frauen.
»Nun«, meinte sie nach einem großen Schluck Wodka und Tonic, »haben Sie schon die Verwandten benachrichtigt?«
»Er hat keine. Es hat wohl eine Schwester gegeben, aber die ist vor wenigen Monaten gestorben.«
»Also ist er auf Reisen gegangen, um allem zu entfliehen?«
Doherty zuckte die Achseln. »Nehme ich an. Wer weiß? In seinem Büro haben sie gesagt, dass er immer sehr gern Nachforschungen angestellt hat. Ahnenforschung war wohl das neueste Thema. Davor war es Hämophilie.«
»Die Bluterkrankheit.«
»Genau.«
Sie trank ihr Glas aus, während sie weiter Konversation machten. Er bestand darauf, ihr noch einen Drink zu kaufen.
Habe ich noch einen verdient?
Aber ganz gewiss! Wochenenden waren im Hotel- und Gaststättengewerbe harte Arbeit. Gott und die Welt kamen auf Kurzurlaub, und die Leute vom Ort gingen zum Essen aus. Wenn man dazu die gewaltigen Touristenmengen zählte, |114| die sich ohnehin in dieser Jahreszeit durch die Stadt wälzten, ergab sich daraus ein überaus strapaziöser Stundenplan.
»In Ordnung.«
Plötzlich ging ihr auf, dass sie miteinander wetteiferten. Er wollte bei der Lösung dieses Falls allen Ruhm für sich in Anspruch nehmen, und genauso ging es ihr. Bisher hatte sie eigentlich nicht geglaubt, dass sie das wollte, zumindest am Anfang nicht, als man ihr die Aufgabe aufgeschwatzt hatte. Aber jetzt? Nun kam einiges in Bewegung. Persönliches Pech für den guten alten Steve, dass nicht die Leidenschaft sie zu diesem Treffen mit ihm getrieben hatte, sondern die Neugier, das dringende Verlangen, genau herauszufinden, was geschehen war. Das war der einzige Grund, betete sie sich vor, aber trotzdem wanderten ihre Augen immer wieder zu ihm. Steve Doherty war zwar nur mittelgroß, aber er hatte einen tollen Körper, eher stark als untersetzt.
Sie schüttelte energisch den Kopf, um diese Gedanken zu verscheuchen.
»Kohlensäure«, erklärte sie, als sie Steves fragenden Gesichtsausdruck bemerkte. »Haben Sie irgendwelche Hinweise?«
»Kleine Sachen. Ein Stück Holz, das sich in die Seite des Verstorbenen gebohrt hatte. Im Fluss ist nach den schweren Regenfällen allerlei Treibgut. Aber dieses Holz war interessant. Es war eine Vertiefung darin, wo einmal eine Zahl aufgenagelt war. Es könnte eine Neun gewesen sein. Es könnte eine Sechs gewesen sein.«
»Je nachdem, ob man Australier ist oder nicht.« Sie lächelte, als sie das sagte.
Doherty durchlebte einen Blondinenaugenblick. Er hatte nicht den Schimmer einer Ahnung – oder vielleicht keinen Humor.
Sie erklärte es ihm ganz langsam. »Auf dem Kopf. Eine Sechs, wenn man aufrecht steht und auf der nördlichen Halbkugel lebt, und eine Neun, wenn man auf dem Kopf steht, das heißt Australier ist.«
|115| »Sehr komisch.« Er lachte gezwungen.
Kein Humor, entschied sie, aber es war eigentlich auch kein besonders guter Witz gewesen.
Doherty kam direkt zu den Fakten. »Er hatte einen Sack über dem Kopf. Keinen großen Sack. Einen kleinen. Der roch nach etwas. Es war kein ekliger, eher ein angenehmer Geruch.« Er sagte das, als wüsste nur er, was das bedeutete.
Honey nickte zustimmend, als hätte sie begriffen. Aber was war daran zu verstehen? Ein Sack war ein Sack war ein Sack. Und der Geruch? Sackleinen, was sonst?
Sie bemerkte, wie schnell er gesprochen hatte, vielleicht weil er Dinge verraten hatte, die er ihr nicht hätte weitergeben dürfen. Alles nur, um ihr Interesse wachzuhalten. Sie spürte, dass er sie ansah, und kam zu dem Ergebnis,
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