Mord ist schlecht fürs Geschäft
zu sehen, wenn ich ihm sage, dass er sich sein Fleisch sonst wohin stecken kann.«
»Nein!« Honey drohte ihm erhobenem Zeigefinger. »Das habe ich nicht gesagt. Bestehen Sie einfach darauf, dass er bessere Qualität liefert, sonst …«
»Geht’s ihm an den Kragen!« Der Koch fuchtelte in freudiger Erwartung mit einem glänzenden Fleischbeil herum.
»Nein! Sonst zahle ich nicht – das sagen Sie ihm. Smudger, man kann Menschen auf vielerlei Weisen Schmerz zufügen. Ein leeres Konto tut oft mehr weh als eine Wunde.«
Smudger schaute enttäuscht drein, akzeptierte aber ihren Urteilsspruch.
»Und nun kommt mein nächster Trick«, murmelte Honey leise vor sich hin.
»Also, Mutter.« Sie schob Gloria vor sich her aus Smudgers Reich heraus und in den Wintergarten.
»Sieht der Garten nicht wunderschön aus?«, fragte sie – eine allgemein anerkannte beruhigende Bemerkung. Sie gingen quer durch den Wintergarten, bis sie beinahe die Nase an die Glasscheiben drückten.
Ihr Mutter blitzte sie zornig an. »Du hast keinen Freund, oder? Du hast mich angelogen.«
»Ja.«
»Nun, dann hätte ich einen für dich.«
»Ich will aber keinen.«
Aus dem Wintergarten blickte man auf einen ummauerten Garten. Die Bäume waren hoch und breit gewachsen, versperrten die Aussicht auf andere Gebäude. Wenn man sich platt aufs Gras legte und direkt nach oben starrte, konnte man beinahe vergessen, dass man mitten in einer Stadt war.
|106| Ihre Mutter schaute verwirrt und bewegte die Lippen, als wollte sie etwas sagen, wäre aber nicht ganz sicher, wie sie es formulieren sollte.
Endlich hatte Honey die erwünschte minimale Reaktion und beschloss, das weidlich auszunutzen – genau wie sie das bei ihrem Partner von der Polizei gemacht hatte. »Du hast ihn also beim Zahnarzt getroffen.«
»Ja. Er ist Witwer.«
Das Bild des phantastisch aussehenden Typen, den sie Anfang der Woche neben ihrer Mutter hatte stehen sehen, schoss ihr wieder durch den Kopf. Irgendwie hatte er nicht wie ein Witwer auf sie gewirkt.
Sie nahm sich Zeit, diese Neuigkeit zu verdauen, klopfte ans Fenster, um Mary Jane auf sich aufmerksam zu machen, und winkte ihr. Mary Jane machte ihre Tai-Chi-Übungen und schaffte es, in die fließenden Bewegungen so etwas wie ein Zurückwinken zu integrieren.
Begleitet vom Geplapper ihrer Mutter, die eine lange Liste von Gründen aufführte, warum sie sich mit diesem Mann einfach treffen musste, schaute Honey weiter zu, wie Mary Jane ihre sehnigen Arme kreisen ließ und nach außen bewegte, langsam ein Bein hob, ihre Wirbelsäule ein winziges bisschen verdrehte.
»Na ja, er hat schon etwas von einer grauen Maus, aber ich bin mir sicher, dass er der Richtige für dich ist.«
Der letzte Satz sickerte ihr langsam ins Hirn. »Das überrascht mich aber. So ist er mir gar nicht vorgekommen«, sagte Honey.
»Aber du hast ihn doch noch gar nicht kennengelernt.«
Die Seifenblase zerplatzte. »Wie bitte?«
Ihre Mutter strich die strohgelbe Tunika glatt, während sie sich elegant in einem Sessel niederließ. Dann schaute sie Honey nachdenklich an, die Finger der rechten Hand ans Kinn geschmiegt. Fragend hoben sich die professionell gezupften Augenbrauen. »Du hast ihn noch nicht kennengelernt, Liebes.«
|107| Honey runzelte die Stirn. Hatte sie was verpasst? »Aber er war doch neulich hier. Du hast mir erzählt, dass er Buchhändler ist. Er heißt John Rees.«
Einen Augenblick lang sah ihre Mutter sehr nervös aus, doch schon bald gewann ihre angeborene Unverfrorenheit wieder die Oberhand. »Der doch nicht. Ich meine Edward Paget. Der ist mein Zahnarzt. Und ein sehr guter noch dazu«, fügte sie hinzu, als empfehle ihn das als potentiellen Liebhaber.
Honey liefen kalte Schauer über den Rücken. Zeit zur Flucht! »Mutter, ich glaube nicht, dass ich einen Mann ertragen könnte, der davon lebt, anderen in den Mund zu schauen.«
»Der ist doch nicht irgendein Feld-Wald-und-Wiesen-Zahnarzt! Er hat nur Privatpatienten.«
Honey drehte Mary Jane den Rücken zu, die gerade zu den letzten Bewegungen ihres täglichen Trainings gekommen war. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schaute Gloria mit einer Mischung aus ungläubigem Staunen und völliger Verwirrung an. War diese Frau wirklich ihre Mutter? Und was bezweckte sie eigentlich damit? Wollte sie erreichen, dass ihre Tochter genauso viele Ehen schloss, wie sie hinter sich hatte?
Doch nun erst einmal zu den wirklich wichtigen Dingen. »Dieser Buchhändler. Warum war der denn
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