Mord nach Liste
jemals mit so viel Leidenschaft lieben wie Regan.
Er liebte sie halt nicht. Nur wegen seiner Arbeit war er überhaupt so lange bei ihr geblieben. Jetzt war alles vorbei, sie musste aufhören, um ihn zu weinen. Wahrscheinlich war sie schon ganz dehydriert von all den vergossenen Tränen. Das einzig Gute an der ganzen Sache war, dass sie ihren Stolz nicht verloren hatte. Nie würde er erfahren, dass er ihr das Herz gebrochen hatte. Dann hätte er nämlich ein schlechtes Gewissen, und ihm leidzutun war das Letzte, was Regan wollte.
Die Tränen verschleierten ihren Blick. Sie verachtete sich selbst. »Jetzt reiß dich am Riemen, Herrgott noch mal«, flüsterte sie. »Hör endlich auf, an ihn zu denken.«
Regan hatte Durst und beschloss, sich zuerst darum zu kümmern. Am liebsten hätte sie Wasser getrunken, aber letztlich war ihr alles recht, das kalt war. Sie beschleunigte das Tempo, wurde aber wieder langsamer, als sie einen freiwilligen Helfer mit dem Fahrrad auf sich zukommen sah.
Sie winkte ihn zu sich und fragte, ob er eine Abkürzung zurück zum Start kenne.
»Haben Sie die Schilder nicht gesehen? Hier geht ein Weg quer durch den Park, direkt hinter der Kurve hinter mir«, sagte er. Dann lächelte er. »Es haben schon viele Walker abgebrochen.«
Seine herablassende, selbstgefällige Art gefiel Regan nicht, sie hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. Doch er fuhr weiter, ehe sie ihm erklären konnte, dass sie nicht abbrechen würde. Sie hatte vorgehabt, zwei Meilen zu walken, und genau das hatte sie getan. Sie war sogar schon weiter gelaufen.
Dann schüttelte sie den Kopf, denn ihr wurde klar, dass sie sich vor niemandem rechtfertigen musste. Es konnte ihr doch egal sein, was der Helfer von ihr dachte! Regan sah, dass er wieder anhielt. Wahrscheinlich fragte ihn noch jemand nach einer Abkürzung durch diesen Irrgarten.
Sie bog um die Kurve und entdeckte einen schmalen Pfad, der nach Süden führte, doch zwanzig Meter weiter zweigte noch ein zweiter ab. Wenn er geradeaus verlief, würde sie direkt am Parkplatz hinter der Startlinie rauskommen. Regan schlug diesen Weg ein. Leider führte er ins Nichts, am Ende bog sie halb um in Richtung Abzweigung. Sie stolperte, schaute zu Boden und sah, dass ihr Schnürsenkel offen war. Zu ihrer Rechten war die Mauer. Daneben stand eine gewaltige, mindestens fünfundsiebzig Jahre alte Eiche. Die riesigen Äste bogen sich über die Mauer. In den Stamm waren Initialen geritzt. Regan lehnte sich gegen den Baum, setzte den Fuß auf den Mauerrand und band den Schnürsenkel zu. Dann richtete sie sich auf und beugte sich vor, um zu sehen, was sich hinter der Mauer befand.
Sie erblickte einen steilen, gut fünfzehn Meter abfallenden Hang. Unten war ein Dickicht, durch das sich ein Wasserlauf schlängelte. Spitze Felsen ragten aus der Böschung, doch auf der anderen Seite des Ufers standen Bäume mit knorrigen Ästen.
Es nieselte wieder, Nebel hing wie eine Rauchwolke zwischen den Bäumen. Es wehte kein Lüftchen, es war drückend schwül. Plötzlich war es so leise und ruhig, dass Regan fast das Gefühl hatte, von der Welt abgeschnitten zu sein.
Sie blickte ein wenig höher. Und da entdeckte sie etwas: Zwischen den Bäumen stand der Mann mit dem schwarzen Jogginganzug. Still wie eine Statue wartete er auf der anderen Seite des Abhangs, dass sie ihn sah. Sie erschreckte sich derartig, dass sie zusammenfuhr. Was machte er da?
Drei oder vier Sekunden lang sah sie ihn an. Das Gesicht des Mannes war völlig ausdruckslos. Den Blick auf ihn gerichtet, bewegte sich Regan langsam rückwärts von der Mauer fort. Plötzlich neigte er den Kopf leicht zur Seite und rief ihr etwas zu. Es war nur ein Wort, aber sie konnte es nicht verstehen.
Und dann änderte sich sein Gesichtsausdruck. Plötzlich wusste Regan, wer er war und wo sie ihn schon einmal gesehen hatte. Sie geriet in Panik. Wieder rief er das Wort, diesmal artikulierte er langsamer, deutlicher und unterstrich es mit einer Handbewegung. Endlich verstand Regan.
Lauf!
Er wollte, dass sie weglief.
47
Eric Gage brauchte nur eine Minute mit dieser Frau. Das war mehr als genug Zeit, um zu tun, was er vorhatte. Fast hätte er sich gewünscht, dass sie flüchtete, gleichzeitig wusste er, dass er sie nicht entkommen lassen durfte. Er musste sie töten.
Walker Madison hatte seiner unschuldigen Nina die Hölle auf Erden beschert, aber trotzdem würde Eric Regan Madison nicht so leiden lassen wie seine Frau. Nein, er würde sie
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