Mord ohne Leiche
»Rob war bei Jay
im Büro, als Ihre Assistentin anrief und sagte, Sie seien nach L. A. geflogen,
um nach Tracy zu suchen. Sie haben statt dessen Lisa gefunden, nicht wahr?«
»Die Spur in L. A. hat nichts
gebracht«, log ich. Soriano mußte in Jays Büro auch mitbekommen haben, daß
Larkey zu Rae gesagt hatte, mit Tracys zahnärztlichen Unterlagen sei etwas
nicht in Ordnung. Einen vollbesetzten Nachtclub in die Luft zu jagen, mochte
ein recht extremes Mittel sein, um Jay daran zu hindern, seinen Verdacht der Polizei
mitzuteilen. Aber Soriano hatte schon vorher gemordet und Brandstiftung
begangen — vielleicht mehr als einmal. Er konnte zwar nicht wissen, daß ich
über seine Vergangenheit Bescheid wußte, aber...
Ich fixierte die Waffe in Sorianos Hand
und sagte: »Was soll das hier überhaupt? Ich bin hergekommen, weil ich Amy und
Marc bei einem Handel mit dem Sheriff helfen soll, damit sie höchstens wegen
geringfügiger Behinderung der Justiz angeklagt werden. Ich verstehe gar nicht,
was Sie hier wollen.«
Soriano sagte: »Und ich wußte gar
nicht, daß Sie Anwältin sind.«
»Das bin ich auch nicht. Scheint aber,
die beiden haben zu wenig Geld für einen Anwalt.«
Er antwortete nicht. Ich sah Amy und
Emmons an. Ob sie verstanden, wie ich das Spiel hier spielen wollte? In Emmons
Augen dämmerte Verstehen. Amy warf mir nur einen vorwurfsvollen Blick zu.
Emmons sagte zu ihr: »Hast du ihr das
erzählt, Ame? Ich habe ausdrücklich gesagt, daß ich gern bezahle. Warum hast du
nicht einfach einen von den Anwälten mitgebracht, Süße?«
Nicht einmal jetzt kapierte sie. Sie
sah auf ihn hinab. »So war das nicht geplant — «
»Doch, Süße, das gehörte auch dazu.« An
mich gewandt, fügte er hinzu: »Es tut mir leid, daß sie Sie hierher geschleppt
hat. Am besten fahren Sie einfach in die Stadt zurück. Wir regeln unser Problem
hier mit Rob und setzen uns dann morgen früh mit einem der Anwälte in
Verbindung.«
»Marc! Ich bleibe hier nicht allein mit
ihm — «
»Dann fährst du mit Sharon, Süße. Es
geht ja im Grunde genommen nur Rob und mich an.«
Soriano hörte mit grimmigem Vergnügen
zu. »Nicht die Schlaueste, wie?« sagte er. Er durchschaute also unsere
Scharade.
Amy wirbelte zu ihm herum, das Gesicht
plötzlich wütend verkniffen. »Ich nicht die Schlaueste! Das sagen
ausgerechnet
Sie!«
Emmons griff ängstlich nach ihrem Arm,
aber sie schlug seine Hand weg. Mein Gott, dachte ich, jetzt erzählt sie ihm
alles, während er da mit dem Revolver in der Hand sitzt!
Das Lächeln verschwand von Sorianos
Lippen. »Was soll das heißen?«
»Na, gucken Sie sich doch nur selber
an. Sie sind total pleite — oh, ja, Marc hat es mir genau erzählt — , und dann
gehen Sie hin und brennen den Club ab mit all den Leuten darin, einschließlich
Jay. Offenbar glauben Sie, Sie können die Versicherung kassieren.«
Soriano erhob sich halb von der Bank.
Sein Gesicht war jetzt aschfahl, die Lippen verzerrt, als könnten sie kein Wort
mehr hervorbringen. In dem Moment wußte ich, dieser Mann stand am Rande des
Wahnsinns. Das Auslösen der Explosion war ein Akt des Irrsinns ohne Rücksicht
auf Konsequenzen gewesen. Emmons zum Schweigen zu bringen — zweifellos sein
nächstes Ziel — war schwieriger geworden und erforderte nun, auch Amy und mich
am Reden zu hindern. Doch er konnte nicht wissen, was wir Dritten gesagt hatten
und wer schon genug wußte, um den Verdacht auf ihn zu lenken. Für Soriano brach
trotz verzweifelter Rettungsversuche die Welt zusammen.
»Sehen Sie also, wie dumm Sie gewesen
sind?« sagte Amy triumphierend.
Halt den Mund, dachte ich. Halt den
Mund!
»Wer ist hier also nicht der
Schlaueste? Sie sollten es vom letztenmal wissen.«
Er gewann die Selbstbeherrschung zurück
und sagte heiser: »Das letztemal?«
»Ja, in Florida.« Sie sah mich an. »Der
Brandstifter auf dem Zeitungsfoto war der alte Rob, eindeutig. Ich hatte immer
schon den Verdacht, daß er sich die Haare färbt. Damals war er nur fetter. Auch
hat er sich das Gesicht liften lassen.« Soriano machte einen Schritt auf sie
zu. Amy zog sich hinter Marcs Sessel zurück. Emmons saß ganz still und
umklammerte mit weiß hervortretenden Fingerknöcheln die breiten Armlehnen
seines Sessels.
Soriano sagte zu mir: »Sie haben den
Zeitungsartikel gelesen.«
»Ich weiß nicht, wovon sie redet — «
»Kommen Sie mir nicht so! Hätten Sie
ihn nicht gelesen, wären Sie als allererstes bei Ihrer Ankunft hier auf das
Feuer im Club zu
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