Mord und Brand
sich gar nicht vorstellen, was ich mir für Vorwürfe mache… Jedes Mal, wenn ich meiner Aurelia ein Busserl geb’, denk ich mir: Du Saurüssel! Du hast auch die Hubendorfer geküsst…«
Nechyba seufzte und bekam feuchte Augen. Als Goldblatt das bemerkte, tat ihm der Inspector leid. Tröstend tätschelte er Nechybas Unterarm. Der ließ sich das dankbar gefallen und murmelte:
»Sie sind ein echter Freund, Goldblatt. Ich fühl mich jetzt wirklich erleichtert. Vielleicht sollt ich es auch meiner Aurelia beichten…«
In diesem Moment kam der Piccolo und servierte die beiden doppelten Schnäpse. Goldblatt erhob sein Glas und sagte mit strenger Stimme:
»Den Teufel werden Sie tun, Nechyba! Was Ihre Aurelia nicht weiß, macht sie nicht heiß. Deshalb gebe ich die Parole aus: Sauf und schweig!«
VIII/2.
Ein freundlich heller Sommermorgen blinzelte zwischen den Vorhängen ins Zimmer. Sich zufrieden streckend, warf Aurelia Nechyba einen verschlafenen Blick auf die Standuhr, die die Kommode zierte. Sie registrierte mit Genugtuung, dass es bereits viertel sieben war. ›Um diese Zeit bereite ich normalerweise schon das Frühstück für die Familie Schmerda zu. Es ist wirklich ein Segen, dass ich sonntags nicht arbeiten muss‹, dachte sie sich, gähnte und kuschelte sich an den mächtigen Leib des neben ihr liegenden Joseph Maria. Der reagierte mit einem schnaubenden Schnarchgeräusch, tastete nach ihrer Hand und drehte sich ein Stück zu ihr. Nun lag er, ihre Hand haltend, auf dem Rücken und begann lauthals zu schnarchen. Aurelia beobachtete ihren Mann und musste schmunzeln. Wie ein Kaiser lag er da. Eine imposante Erscheinung: mit halb aufgerichtetem Oberkörper auf mehreren Polstern thronend, den Schnauzbart mit einer Bartbinde hochgebunden und mit einem entspannt zufriedenen Ausdruck im Gesicht. Da Aurelia nun Gusto auf Kaffee bekam, löste sie vorsichtig ihre Hand aus der seinen, was Nechyba mit einem geschnaubten Schnarcher quittierte. Behutsam schlüpfte sie aus dem Ehebett, zog die Schlapfen und den Morgenrock an und ging nach nebenan in die Küche, nicht ohne die Verbindungstür zum Schlafzimmer leise zu schließen. Von der Bassena am Gang holte sie in einem Krug frisches Wasser und bereitete sich dann in einer Kupferkanne einen Türkischen zu. Als sie den gemahlenen Bohnenkaffee mit Zucker anröstete und dabei intensiver Kaffeegeruch aufstieg, überrieselte sie ein Schauer von Glück. Denn Bohnenkaffee war für sie nach wie vor ein Luxus. Jahrzehntelang hatte sie nur Malz- oder Zichorienkaffee getrunken. Doch nun, bei ihrem Nechyba, gab es selbstverständlich echten Bohnenkaffee. Und zwar so viel sie wollte! Denn bei gewissen Dingen sparte Nechyba grundsätzlich nicht. Dies betraf den Bohnenkaffee genauso wie alles andere, das mit Essen, Trinken und Genießen zu tun hatte. Zum Frühstück strich sie sich ein Brot mit dick Butter drauf. Dabei erinnerte sie sich an ihre früheren, einsamen Sonntage ohne Nechyba, an denen sie immer in die Frühmesse in die Karlskirche gegangen war. Danach hatte sie meist einen kleinen Spaziergang durch die Innenstadt gemacht, bei dem sie die sonntäglich gekleideten Damen und Herren, die zum Gottesdienst, zu Verwandten oder in eines der noblen Restaurants gingen, beobachtet hatte. Wenn ihr damals ein besonders stattliches Paar aufgefallen war, hatte sie sich immer in die Rolle der Frau hineingeträumt. Wie sie von ihrem Gatten umsorgt, umhegt und auch geliebt würde. Aurelia seufzte. Damals, im Alter von über 30 Jahren, hatte sie kaum mehr Hoffnung gehabt, einen Mann zu finden und unter die Haube zu kommen. Dass ihr schließlich der Nechyba über den Weg gelaufen war, war eine Fügung Gottes. Abermals seufzte sie. Diesmal aufgrund ihres schlechten Gewissens. Seit sie mit Nechyba zusammenlebte, besuchte sie kaum mehr den sonntäglichen Gottesdienst. Denn ihr Gatte war an den freien Sonntagen einfach zu faul und darüber hinaus auch völlig unwillig, die knapp bemessene, gemeinsame Zeit in einer Kirche zu verbringen. Nicht, dass er nicht an Gott glaubte… Er wollte halt nur mit dem Katholizismus so wenig wie möglich zu tun haben. Dies erklärte sich daher, weil viele Priester fanatische christlichsoziale Parteigänger und Funktionäre waren und diese geweihten Männer hemmungslos Juden- und Fremdenhass predigten. Nechyba war dies zutiefst zuwider. Deshalb mied er katholische Gotteshäuser. Aber, und nun lächelte Aurelia, vielleicht würde sie es heute im Zuge
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