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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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Schnell!«
    Nechyba keuchte die Kellerstiegen hinauf und sah, wie der Fremde aus dem Haus rannte. Der Inspector ihm nach. Den Getreidemarkt entlang zum Naschmarkt. Mordsverkehr. Pferdefuhrwerke, Automobile und eine Tramway. Der Fremde blickte sich um. Sah Nechyba. Rannte los. Über die stark befahrene Wienzeile. Eine Tramway bimmelte, Pferde wieherten. Automobilbremsen kreischten. Nechyba am Rande der Wienzeile. Schotterbremse der Tramway. Riesenknall. Der Fremde wurde von der Tramway niedergestoßen. Die Pferde eines schwer beladenen Gespanns scheuten. Liegender Körper. Trampelnde Hufe. Nechyba, keuchend und bloßfüßig, stürzte hinzu. Packte zuerst das eine Pferd und dann das andere beim Zaumzeug. Mit seinem Körpergewicht und seiner Kraft gelang es ihm, die Tiere zu bändigen. Ein uniformierter Sicherheitswachmann lief herbei, erkannte Nechyba und sagte:
    »Herr Inspector, wo sind denn Ihre Schuhe?«
    »Das is’ wurscht! Schaun S’, dass die Rettungsgesellschaft kommt. Und rufen S’ Verstärkung…«
    Der Uniformierte nickte und eilte ins Café Dobner, wohl wissend, dass es dort einen Telefonapparat gab. Nechyba kniete neben dem Fremden nieder, griff an dessen Hals, doch er spürte keinen Puls. Der Kopf war von den Pferdehufen mehrmals getroffen worden und blutete stark. Vorsichtig durchsuchte Nechyba die Taschen des Fremden. Er fand ein Portemonnaie sowie eine Brieftasche. Beides nahm er an sich. Mittlerweile war ein weiterer Sicherheitswachmann gekommen, der den Verkehr regelte. Plötzlich war auch Aurelia an Nechybas Seite. Vorsichtig nahm sie das Gesicht des Fremden und drehte es zu sich. Dann murmelte sie:
    »Um Gottes willen! Das ist ja der Freund vom Oprschalek. Der, von dem ich dir neulich erzählt hab’. Du! Der wollt’ mich glatt umbringen…«
     
     
     

XI/2.
    Es war ihr vollkommen gleichgültig, was sich die Leute dachten. Eng hatte sie ihren Nechyba mit beiden Armen umschlungen. So verließen sie das Verkehrschaos vor dem Café Dobner, wo nun ein Arzt der Freiwilligen Rettungsgesellschaft den Verunglückten untersuchte und wo Polizisten den Tramwayfahrer, den Kutscher sowie Passanten, die alles beobachtet hatten, einvernahmen. Durch die dichte Menge von Schaulustigen drängten sich Aurelia und Joseph Maria Nechyba durch. Bei jedem Schritt genoss sie die Wärme und auch die Sicherheit, die sein massiver Leib ausstrahlte. Tränen traten ihr in die Augen. Vor einer halben Stunde hatte er ihr das Leben gerettet. Sie schmiegte sich noch enger an ihn und als er sie zärtlich ansah, küsste sie ihn. Seine Lippen antworteten zaghaft. Sie bemerkte, dass ihm der Kuss in der Öffentlichkeit ein bisserl peinlich war. Schmunzelnd wischte sie sich mit dem linken Handrücken die feuchten Augen ab und sagte mit belegter Stimme:
    »Was tät ich ohne dich…«
    Nechyba, nun ebenfalls gerührt, antwortete:
    »Wennst net meine Frau wärst, wär das alles net passiert. Der Kerl wollt’ dich nur deshalb umbringen, damit du mir net erzählst, was du beobachtet hast. Der wollte verhindern, dass ich mich für seine Bekanntschaft mit dem Oprschalek interessier’…«
    »Kruzitürkn 135 noch einmal!«, keifte die Stimme der Kwapil, als die beiden in ihr Wohnhaus in der Papagenogasse eintraten. »Was war denn das für a Bahöö vorhin? So was hab ich ja in mein Lebtag noch net erlebt. Wir sind hier ein anständiges Haus!«
    Mit scheelem Blick musterte die Hausmeisterin die eng umschlungenen Nechybas. Als sie dann noch des Inspectors bloße Füße bemerkte, verdrehte sie die Augen und kreischte:
    »Na! Ich glaub’s net!«
    »Glauben können S’ in der Kirche!«, brummte Nechyba. »Und was das anständige Haus betrifft: Auf der Kellerstiege fliegt überall der Lurch umadum 136 . Und da! Da schaun S’ meine Fußsohlen an! So dreckig ist’s in Ihrem Stiegenhaus. Genieren sollten Sie sich…«
    Damit wandte er sich von ihr ab, drückte Aurelia noch enger an sich und stieg die geschwungene Treppe empor. Aurelia barg ihr Gesicht an seiner Brust, denn sie konnte sich vor Lachen kaum halten. Als sie oben im zweiten Stock angekommen waren, prustete sie los:
    »Na, der hast du’s aber ordentlich reingesagt!«
    Nechyba sperrte die Wohnungstür auf und brummte:
    »So a Schastrommel, so a hiniche 137 …«
    Aurelia lachte wieder. Sie warf ihre Handtasche auf die Küchenbank, stürzte sich auf Nechyba und gab ihm einen langen, innigen Kuss auf den Mund. Danach kuschelte sie sich an ihn. So blieben die beiden eine Zeit lang

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