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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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an Nechyba dachte, stieg Goldblatt bei der Stadtbahnstation Kettenbrückengasse aus. Es hatte ihn die Sehnsucht nach den alten Zeiten gepackt. Er ging ein Stück die linke Wienzeile stadteinwärts, bog dann in die Engelgasse 148 ein und war alsbald beim Café Sperl. ›Das letzte Mal, dass ich da war, ist auch schon wieder einige Monate her…‹, sinnierte Goldblatt und trat in das Kaffeehaus ein, wo er sich nach wie vor wie zuhause fühlte. Adolf Kratochwilla, der Cafetier des Sperl, begrüßte ihn herzlich. Und der alte Marqueur fragte, als Goldblatt Platz genommen hatte:
    »So wie immer, Herr Redakteur?«
    Goldblatt nickte grinsend und bekam umgehend seinen ›Goldblatt‹ serviert. Er schlürfte das Getränk und ließ seinen Blick im Sperl umherschweifen. Nichts hatte sich verändert: Einige Tische waren von Offizieren der nahen Kriegsschule besetzt, am Künstlertisch saßen die Herren vom Hagenbund und ums Eck spielte man Billard. Goldblatt schloss die Augen und lauschte dem Klicken der Billardkugeln, dem Stimmengewirr der Gäste, dem Rascheln der umgeblätterten Zeitungsseiten sowie dem leisen Klappern und Klirren der Kaffeeschalen und Wassergläser, die aus der Küche voll heraus- und irgendwann dann wieder leer hineingetragen wurden. All das war unglaublich beruhigend und einschläfernd. Er träumte von dem Plattenbruder, der ihn in ein Eck drängte und zynisch fragte, ob er ihm einen Liebesbeweis zuteil werden lassen sollte. Goldblatt stammelte: ›Nein! Bitte, bitte nicht…‹. Doch es half nichts. Der Plattenbruder ließ die Klinge eines Springmessers klickend einschnappen und führte sie langsam, ganz langsam auf Goldblatts Gesicht zu. Schmerzhaft spürte er den kalten, scharfen Stahl in die Haut seiner Wange eindringen…
    »Nein! Das ist aber jetzt nicht wahr!«
    Eine vertraute Stimme riss Goldblatt aus seinem Nickerchen und holte ihn in die Realität zurück. Goldblatt blinzelte verschlafen und sah die gewaltige Silhouette Nechybas, der sich mit einem Seufzer der Zufriedenheit ihm gegenüber auf die Polsterbank fallen ließ. Goldblatt lächelte und sagte:
    »Was schaun S’ denn so, Nechyba? Es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie mich bei einem Nickerchen im Kaffeehaus erwischen…«
    Nechyba bestellte sich ebenfalls einen ›Goldblatt‹, musterte den Redakteur und bemerkte mit ironischem Unterton:
    »Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht im Kaffeehaus geirrt haben?«
    »Reden S’ keinen Blödsinn, Nechyba! Heut bin ich halt ins Sperl und nicht ins Landtmann gegangen. Variatio delectat 149 !«
    Goldblatt erzählte dem Inspector von seinen Recherchen bezüglich der Plattenbrüder. Als Nechyba hörte, dass die Justiz einen der Anführer unlängst hatte laufen lassen, statt ihn einzusperren, schüttelte er nur den Kopf. Dann deutete er auf das Titelblatt der ›Neuen Zeitung‹, auf der eine gezeichnete Darstellung des Attentats auf den Justizminister prangte. Dazu gab es folgende Überschrift: ›Schreckensszenen im österr. Parlament. Fünf Revolverschüsse. Attentat auf den Justizminister Dr. Ritter v. Hochenburger.‹ Unter dem Bild stand dick und fett im Telegrammstil zu lesen: ›Eine Demonstration tschechischer Schulkinder.– Raufszenen in der Säulenhalle des Parlaments.– Abgeordnete prügeln und würgen sich.– Der Teufel mit dem Revolver.– Ein Zwischenfall bei der Rede Dr. Adlers.– Panik im Sitzungssaale.– Verhaftung des Attentäters.‹
    »Ich sag Ihnen, Goldblatt, wenn das so weitergeht, wird unser ganzer Staat in Chaos und Anarchie versinken. Ich war heute bei der Vernehmung des Attentäters, eines gewissen Nikolaus Njegus, dabei. Man hat mich hinzugezogen, weil der Mann behauptet hat, dass er im Frühjahr auch schon einmal kurz in Wien gewesen ist. Auch damals hatte er sich revolutionär betätigt und den Bauhof eines kapitalistischen Ausbeuters in Floridsdorf in Brand gesteckt. Gemeinsam mit einem gewissen Frantisek Oprschalek…«
    »Was, mit dem Oprschalek? Sehn S’, da war ich doch nicht so daneben mit meinem Feuerteufel!«
    Nechyba lächelte:
    »Da haben Sie tatsächlich das richtige G’spür g’habt. Ich überprüfe jetzt alle größeren Brände des heurigen Jahres. Wer weiß, vielleicht hat der Oprschalek dort oder da auch noch seine Finger im Spiel g’habt.«
    »Apropos G’spür… Sie stehen mir mit Ihrer Intuition in nichts nach, Nechyba.
    Wie haben Sie das eigentlich am vorvorletzten Sonntag zuwege gebracht, nicht bei dem Riesenpolizeiaufgebot während der

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