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Mord unter den Linden (German Edition)

Mord unter den Linden (German Edition)

Titel: Mord unter den Linden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Pieper
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schien
ihm das durchaus möglich. Die Krimis im Westfernsehen zeigten öfter
gelangweilte Ehefrauen, die ihren Männern einen Berufskiller
hinterherschickten. Einfach, weil sie an das Erbe wollten oder der Gatte untreu
war.
    In aller Eile ging Boelter die möglichen Racheengel durch. Ruth?
Unmöglich, sie waren schon seit fast fünfzehn Jahren geschieden, und sie hatte
längst einen neuen Mann. Bianca hatte schon eher ein Motiv, weil er mit ihrer
Freundin durchgebrannt war. Aber auch das war eine Ewigkeit her. Astrid hatte
ihn wegen einer Affäre mit einer tschechischen Countrysängerin aus dem Haus
geworfen, und Elvira hatte Blumenvasen nach ihm geschmissen, weil sie
dahintergekommen war, dass er nicht Johnny Cash, sondern nur Heini Boelter
hieß. Und Rosie? Er betrog sie seit drei Monaten mit Schnecke, möglich, dass
sie das rausgefunden hatte. Aber war die schnuckelig naive Rosie dazu überhaupt
in der Lage? Ihm einen Berufskiller auf den Hals zu hetzen?
    »Hören Sie, Mister …«, begann er, wusste aber nicht, wie er
weitermachen sollte. Nein, Boelter wollte nicht um sein Leben betteln wie ein
Hund. Er wollte standhaft sterben, ungebeugt in den Tod gehen, mit erhobener
Faust wie einst Ernst Thälmann. Doch konnte dieser kommunistische
Arbeiterführer heute überhaupt noch Vorbild sein? Vielleicht wäre eine
Steve-McQueen-Nummer zeitgemäßer; einfach auf die Bremse latschen und den
unbequemen Delinquenten auf der Rückbank per Trägheitsgesetz und Flug durch die
berstende Windschutzscheibe unschädlich machen …
    »Ich nehme an, Sie wollen sich zweitausend Westmark verdienen«, ließ
sich der Mann auf der Rückbank vernehmen und reichte ihm einen Packen
Geldscheine nach vorn. »Fünfhundert als Anzahlung?«
    Yeah, das ist der Westen! Boelters Herz machte einen Freudensprung.
Kohle verdienen leicht gemacht mit Action in der Marktwirtschaft.
    »Was muss ich tun, Sir?« Plötzlich fühlte er sich wie James Bond.
Nicht, dass er die Welt retten wollte, einen Banktresor aufsprengen wäre aufregend
genug, genauso wie die Befreiung einer heißen Millionärstochter aus den Fängen
brutaler Kidnapper. Noch bevor er genauer darüber nachdenken konnte, wie er das
am besten bewerkstelligen sollte, sagte der Mann auf der Rückbank:
    »Wissen Sie, wo das Ministerium für Staatssicherheit ist?«
    Mist, dachte Boelter, denn die Stasi war heute keinen Pfifferling
mehr wert. Früher, als die noch mächtig und unheimlich waren, okay. Aber jetzt
taugte diese abgehalfterte Truppe kaum noch für einen Thrillerstoff.
    »Sie meinen die Zentrale in der Normannenstraße?«
    »Exakt.« Der Mann auf der Rückbank nickte und sah auf die Uhr. »In
genau drei Stunden findet dort eine Demonstration statt. Die Bürgerbewegungen
haben dazu aufgerufen, Sie wissen schon, ›Neues Forum‹, ›Demokratie jetzt!‹ und
dergleichen …«
    »Come on, come on«, schnurrte
Elvis Presley zu nervösen Beats aus den Boxen, und der Backgroundchor sang: »Satisfy
me, satisfy me …«
    »… vermutlich werden Zehntausende kommen«, erklärte der Mann auf der
Rückbank weiter, »und es gibt Gerüchte, dass die Menschen die Stasizentrale
stürmen werden.«
    »Tatsächlich«, maulte Boelter, den das alles herzlich wenig
interessierte. »Und wat hab ick damit zu tun?«
    »Sie werden dabei sein!« Boelter spürte die schwere Hand seines
Fahrgastes auf der Schulter. »Denn jetzt kommen Sie ins Spiel. Mit einer ganz
besonderen Aufgabe.«
    »Die da wäre?« Boelter stoppte an einer Ampel und sah sich nach dem
Mann auf der Rückbank um.
    »Die Menge wird den Haupteingang aufbrechen«, sagte der, »sobald Sie
im Gebäude sind, halten Sie sich links. Vermutlich wird alles in die andere
Richtung strömen, rechts lang, aber Sie, Herr Boelter, Sie bleiben links,
verstanden?«
    »Okay«, machte Boelter langsam, und allmählich fand er die Sache
wieder spannend. »Und dann?«
    »Am Ende des Ganges auf der linken Seite finden Sie eine Treppe in
den Keller, aber Vorsicht: Der Zugang könnte bewacht sein.«
    »Kein Problem«, murmelte Boelter.
    »Nicht für Sie, ich weiß«, nickte der geheimnisvolle Fahrgast, »Sie
hatten eine Spezialausbildung im Rahmen Ihres Wehrdienstes bei der NVA , nicht wahr?«
    »Nahkampf«, bekräftigte Boelter stolz, »Ausschalten des Gegners ohne
Zuhilfenahme von Waffen …« Er stockte und sah unsicher in den Rückspiegel.
»Aber: Woher wissense det?«
    »Ich kenne Ihre Akte.« Der Fahrgast lehnte sich zurück. In seiner
Pilotenbrille spiegelte

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