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Mord Unter Segeln

Mord Unter Segeln

Titel: Mord Unter Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Franke
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Gardine eines der Gastzimmer im oberen Stock. Nach ihrem Gespräch mit den beiden Kommissarinnen hatte die eine gesagt, sie werde die Fingerabdrücke nach Wilhelmshaven schicken, die andere hatte noch mit Peter sprechen wollen. Zwischenzeitlich war Sophie gekommen, hatte sich eine Frikadelle aus dem Kühlschrank geschnappt, ihr eine Kusshand zugeworfen und sich verabschiedet, sie wollte sich mit Hannah und Marlene treffen, zwei Freundinnen aus Kindergartenzeiten. Lächelnd hatte Ilka ihrer Nichte hinterhergesehen. Alles würde gut werden, nicht mehr lang, dann wäre Sophie wieder gesund. Ende nächster Woche konnte die Stammzellentransplantation erfolgen, alle Untersuchungen waren zufriedenstellend verlaufen, das Damoklesschwert verschwand über Sophies süßem Haupt und machte einem wolkenlosen Himmel Platz.
    Sie musste nur durchhalten.
    Nachdem Sophie gegangen war, hatte sich Ilka beeilt, oben ins Gastzimmer zu kommen, von wo sie zwar keinen direkten Blick auf die Terrasse hatte, aber alles hören konnte. In diesem Zimmer hatten sie in ihrer Kindheit oft geschlafen, wenn sie und Simone ihre Oma besuchten. Damals schon hatten sie heimlich kichernd am Fenster gesessen und den Gesprächen gelauscht, die ihre Oma geführt hatte: mit den Eltern oder mit Pensionsgästen, am liebsten aber hatten sie immer dann hier gesessen, wenn der Fritz aus Ostwestfalen-Lippe als Gast da war. Der hatte ordentlich mit ihrer Oma geschäkert, was die offenkundig genossen hatte. Simone und sie hatten sich anschließend gemeinsam unter die Bettdecke gekuschelt und den Tonfall der beiden nachgemacht. Manchmal hatten sie dann so lachen müssen, dass Oma von unten mit einem Machtwort um Ruhe gerufen hatte.
    Als Ilka nun jedoch dem Gespräch auf der Terrasse lauschte, gab es keinen Grund zu lachen. Die blonde Kommissarin hatte die richtigen Schlüsse gezogen, was Simones Kontaktaufnahme zu ihr betraf. Ja, es war um Sophie gegangen. Immer noch spürte Ilka einen bitteren Kloß im Hals, als sie sich an jenes erste Telefonat erinnerte. Fast sechzehn Jahre lang hatten sie nicht miteinander gesprochen. Und das Erste, was Simone gesagt hatte, als Ilka sich am Telefon meldete, war: »Ich brauche deine Hilfe.« Keine Begrüßung, kein ausführliches Einstiegsgespräch, nur: »Ich brauche deine Hilfe.« Die Selbstverständlichkeit, mit der Simone diese vier Worte ausgesprochen hatte, hatte Ilka sprachlos gemacht. Oft hatte sie sich vorgestellt, wie es wohl sein würde, wieder Kontakt zu ihrer Schwester zu haben. Dutzende verschiedene Varianten waren ihr eingefallen, auf Dutzende Arten des Begegnens war sie gekommen, nie aber hatte sie die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Simone sich ihr ohne ein Wort des Bedauerns, ohne ein Wort der Entschuldigung nähern könnte.
    Und jetzt musste sie mit anhören, wie Peter genau das bestätigte. Mit jedem seiner Worte wurden ihre Knie weicher.
    »Zu dem Zeitpunkt, als Simone sich mit Ilka in Verbindung setzte, wussten wir noch nicht, dass es keinen potenziellen Spender in der zentralen Datei gab«, sagte Peter. »Aber natürlich wollte Simone gleich jede Möglichkeit nutzen und hat sich deshalb an Ilka gewandt.«
    »Wie haben Sie sich dabei gefühlt?«, wollte die Kommissarin wissen, und Ilka stutzte. Was sollte das denn?
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Peter. Ein kurzes Lächeln zog über Ilkas Gesicht. Auch nach all den Jahren kam sie nicht umhin festzustellen, wie ähnlich sie beide dachten.
    »Na ja. Immerhin waren Sie mit Ihrer Schwägerin liiert, bevor Sie Ihre Frau heirateten.«
    In diesem Augenblick stockte Ilka der Atem. Sag jetzt nichts Falsches, Peter, bat sie stumm. Bitte, sag jetzt nichts Falsches.
    Aber ihr Schwager hörte ihre stummen Bitten nicht. »Tja«, sagte er langsam, »das war damals eine verdammt schwere Zeit.«
    Hör auf. Hör bitte auf! Ilka ballte die Faust und biss sich in den Knöchel des linken Zeigefingers, damit sie nicht schrie. Bitte. Bitte, bitte, hör auf.
    Doch Peters Stimme fuhr unerbittlich fort: »Der Tod des Babys, die Vorwürfe, die Zeit in der Klinik, es war eine Belastung für uns alle. Für Ilka war es am schlimmsten. Sie kam überhaupt nicht zurecht. Auch Ilkas Eltern, also meine Schwiegereltern, die zu dem Zeitpunkt ja noch lebten, konnten ihr keinen Halt geben, ebenso wenig wie ich.«
    Hör auf. Bitte, Peter, hör auf.
    »Fahren Sie fort«, bat die Kommissarin. »Wenn ich Sie richtig verstehe, waren Sie der Vater des toten Kindes?« Peter schien zu nicken, denn

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