Mord Unter Segeln
nich, wenn ich's Ihnen erzähle, oder?«
»Nein. Bestimmt nicht. Also, schießen Sie los«, versuchte Lemke dem Mann auf die Sprünge zu helfen.
»Also das war Dienstagvormittag. Nee, also eher am frühen Dienstagmorgen. Also, ich bin ja Busfahrer, und meine Linie ist die von Wilhelmshaven über Sengwarden, Hooksiel bis nach Schillig und zurück. Und am Dienstag, da stieg in die erste Tour, also die um sechs Uhr fünfundzwanzig, auch 'ne Frau ein, die ich noch nicht kannte. Man kennt ja mit den Jahren seine Pappenheimer, also die, die immer mit einem fahren. Aber die war eindeutig noch nie mit dem Frühbus gefahren. Obwohl die auch Arbeitsklamotten anhatte. Und ausgestiegen ist die in Hooksiel.«
»Ach nee.« Augenblicklich setzte Lemke sich aufrechter hin. In diesem Fall gab es nur eine Frau, die in Hooksiel lebte. Ilka Friedrichsen.
»Ja. Wenn ich's doch sach. Und da hab ich jetzt gedacht, das könnte vielleicht was mit Ihrem Mordfall zu tun haben. Und da hab ich dann gedacht, ich ruf einfach mal an. Also hab ich das gemacht. Meinen Sie, ich hab Ihnen damit helfen können?«
»Auf jeden Fall«, bestätigte Lemke aufgeregt. »Glauben Sie, Sie erkennen die Frau wieder, wenn wir Ihnen Fotos zeigen?«
»Och, das weiß ich nicht. Aber versuchen können wir das ja.«
»Warten Sie mal.« Lemke gab den Namen der Hooksieler Werft bei Google ein, in der Hoffnung, dort Fotos von Ilka Friedrichsen zu finden. Doch obwohl der Internetauftritt der Werft professionell gestaltet war und sowohl Sven als auch Tobias auf den Fotos kompetent wirkten, gab es nur eine Aufnahme, die Ilka Friedrichsen zeigte. Von hinten, kniend beim Abschleifen eines Schiffsrumpfes. Nein, das brachte sie nicht weiter. »Tut mir leid, ich dachte, ich könnte Sie bitten, auf Ihrem PC ein Foto auf einer Internetseite anzugucken, aber das, was ich suchte, hab ich dort nicht gefunden.«
»Also, ich hätte das ja sowieso gar nicht angucken können«, erwiderte Frerichs, »denn mein Internet funktioniert ja gar nich. Ich sag ja immer, man soll die Frauen da gar nich erst ranlassen. Meine wollte sich ein Kochrezept runterladen und ausdrucken und schwups, war's Internet weg. Da muss ich mich erst mal drum kümmern.«
»Ist jetzt ja auch egal«, sagte Lemke, »wir kommen vorbei und zeigen Ihnen eine Aufnahme, vielleicht können Sie sich dann erinnern.« Während Lemke sich Anschrift und Namen des Busfahrers notierte, ratterte es in seinem Kopf. Hier hatte er ein weiteres Puzzleteil in der Hand.
***
Als Odas Handy klingelte, stand sie gerade mit Dirks und Langeoogs Bürgermeister in dessen Büro und scannte das Blatt mit Ilka Friedrichsens Fingerabdrücken ein. Das Original verstaute sie sorgfältig wieder in der Plastikfolie, obwohl sie ja jederzeit neue Abdrücke nehmen konnten. Aber sicher war sicher. Inzwischen war der Nachmittag vorangeschritten, dennoch hoffte sie, am Abend zu Hause bei Jürgen und Alex sein zu können, wo auch immer und wie auch immer dieses Zuhause heute aussehen würde. Als sie das Telefon aus der vorderen Tasche ihrer Jeans fingerte, rechnete sie damit, dass es Jürgen war, der mit einem Anruf eine dringend benötigte Pause übertuschen und ihr berichten wollte, wie fleißig sie schon gewesen waren. Zu ihrem Erstaunen war es wieder Lemke.
Dirks wollte etwas sagen, aber mit einer Handbewegung brachte sie ihn zum Schweigen, und auch der Bürgermeister, der eben noch fröhlich und mit einer gewissen Aufgeregtheit sowohl Scanner als auch PC zur Verfügung gestellt hatte, verstummte. Aufmerksam hörte Oda zu, bevor sie mit den Worten »Danke, Lemke, das sind ja interessante Neuigkeiten« das Gespräch beendete.
»Es gibt einen Zeugen«, informierte sie die beiden Männer. »Einen Busfahrer. Am Dienstagmorgen ist eine Frau mit dem Frühbus von Wilhelmshaven nach Hooksiel gefahren, die ihm aufgefallen ist. Wir brauchen Fotos von Ilka Friedrichsen. Die mailen wir erst mal rüber, um zu gucken, ob es sich um die Friedrichsen handelt.« Oda sah sowohl Dirks als auch den Bürgermeister an. »Hat einer von Ihnen eine Digitalkamera?«
Der Bürgermeister schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, für solche Sachen ist immer meine Frau zuständig.«
Dirks aber zückte sein Handy. »Das ist ganz neu. Hat eine Acht-Megapixel-Kamera. Damit kann ich supertolle Fotos machen.«
»Na dann …« Oda zog Dirks mit sich. »Sehen wir zu, dass wir Frau Friedrichsen als Starmodel ablichten.«
***
Ilka Friedrichsen stand versteckt hinter der
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