Mord Unter Segeln
kennengelernt, als Christine eine Woche Urlaub auf Langeoog machte, aber dennoch in die Ermittlungen zu einem Mordfall involviert wurde, weil die Schwester des Toten, Wiebke, hier auf der Insel lebte. Wiebke und sie waren sich auf Anhieb sympathisch gewesen, da gab es eine gemeinsame Wellenlänge, die über normale berufliche Kontakte hinausging. Und so hatte Christine Wiebke nicht nur im Verlauf der Ermittlungen begleitet, sie hatten auch danach regelmäßig miteinander telefoniert und gemailt.
»Nein, ist leider kein privater Spontanbesuch. Wir hatten in Wilhelmshaven eine Leiche an Bord eines Segelschiffes, die Frau lebte aber nicht bei uns, sondern hier auf Langeoog.«
»Ach, du meinst Simone.«
»Hat sich das schon rumgesprochen?«
»Was glaubst du denn. Wir Insulaner sind ein kleines Völkchen. Da verbreiten sich solche Nachrichten wie ein Lauffeuer. Dass sie auf einem Segelschiff gefunden wurde, war hier die größte Sensation. Neben der Tatsache, dass sie ermordet wurde, natürlich. Denn Simone segelte gar nicht. Wir haben im Heimatverein immer scherzhaft gesagt, dass Simone bestimmt in einem früheren Leben mal von Bord eines Seglers gegangen und ertrunken sein muss, so energisch, wie die das Segeln ablehnte. Und nun wird sie ausgerechnet auf einem Schiff gefunden. Das passt doch vorne und hinten nicht. Seid ihr denn sicher, dass sie es ist?« Wiebke stand immer noch hinter dem Kassentresen ihres kleinen, gemütlichen Geschäftes, in dem man individuell bedient wurde und aus fast unzähligen Teesorten und weiteren Tee-Accessoires auswählen konnte. Christine hatte schon immer gern Tee getrunken, aber erst in ihrer neuen Heimat Wilhelmshaven die Vielfalt kennengelernt, die dieses Getränk bot. Ihr derzeitiges Lieblingsgetränk war der Ostfriesische Sonntagstee. Thorsten Nack vom Wilhelmshavener »Teepalast« hatte ihr erklärt, dass man den Tee, den man früher nur sonntags nach dem Kirchgang getrunken hatte, damals mit einer Vanilleschote aufbewahrte, um ihn frisch zu halten.
»Ihr Mann hat sie zweifelsfrei erkannt. Und wir waren heute in ihrer Wohnung. Ich hab die Fotos auf dem Flur gesehen, da gibt es keinen Zweifel, die Tote war Simone Gerjets. Ich schätze, auch die DNA-Spuren werden das bestätigen.«
»Der arme Peter. Da stirbt ihm die Frau weg, und die Tochter ist todkrank. Also, wenn der dabei nicht durchdreht, ist es ein Wunder. Ich hoffe nur, ihr könnt die blöden Gerüchte von ihm fernhalten. Das könnt ihr doch, oder?«
»Gerüchte?«
»Peter war ja wenig hier. Er arbeitet immer vierzehn Tage auf einer Bohrinsel in Norwegen und hat dann vierzehn Tage frei. Und in der Zeit, in der er weg war … Simone war kein Kind von Traurigkeit. Auch wenn sie ihren Mann sicherlich geliebt hat.«
»Das heißt?«
»Na, sie war ziemlich temperamentvoll. Da wurde ihr schon das eine oder andere Techtelmechtel nachgesagt.«
»Von wem?«
»Von den Üblichen. Von denen, die ihre Nase liebend gern in alles reinstecken, was sie nichts angeht. Und erschwerend kommt natürlich hinzu, dass Simone nicht zeit ihres Lebens hier gewohnt, sondern nur die Pension ihrer Oma übernommen hat. Damit war sie automatisch Zielobjekt der Neugierde, denn so wirklich gehörte sie eben nicht dazu.«
»So wie du«, stellte Christine fest.
»Ja«, bestätigte Wiebke. »Wahrscheinlich haben wir uns deshalb auch so gut verstanden.«
»Ach, ihr wart befreundet?«
»Nein, ›befreundet‹ wäre zu viel gesagt. Wir lagen auf einer Wellenlänge. Haben uns ab und zu privat getroffen, nicht häufig, aber doch regelmäßig.«
»Hat sie dir etwas über ihr Privatleben erzählt? Über ihre Ehe und so?«
Einen Moment zögerte Wiebke. Dann sagte sie: »Nee. Doch. Warte mal, vor Kurzem waren wir auf ein Bier im ›Dörp‹, da hat sie gesagt, eigentlich müsste sie jetzt mit Peter zusammensitzen und auf ihren Hochzeitstag anstoßen. Den fünfzehnten oder sechzehnten. Und dann hat sie gelacht und stattdessen mit mir angestoßen.«
»Mehr hat sie nicht erzählt?«
»Lass mich überlegen.« Wiebke dachte kurz nach. »Ja. Ich hab sie gefragt, wie sie sich eigentlich kennengelernt haben, meist erinnert man sich an solchen Tagen ja gern zurück, aber sie sagte nur, am Anfang ihrer Beziehung hätte es ein paar Hürden gegeben, aber nachdem sie die gemeistert hätten, sei alles ganz normal gewesen. Nichts Aufregendes. Eigentlich hätte ich ja zu gern noch gewusst, ob was dran ist an dem Gerücht, dass sie auch nebenbei nichts anbrennen
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