Mord Unter Segeln
Hochdeutsch würde auch niemand: »Guten Tag, guten Tag« sagen.
»Moin.« Einem tiefen Zug am Glimmstängel folgte ein langes rauchblaues Ausatmen.
»Christine Cordes, Kripo Wilhelmshaven. Sie haben ja sicher schon gehört, dass Simone Gerjets tot ist?«
»Jo.« Abwartendes Schweigen mit stechendem Blick. Die Frau war Christine auf Anhieb unsympathisch.
»Ich hab vorhin gesehen, wie Sie mit Peter Gerjets gesprochen haben.«
»Jo.« Die machte es ihr aber wirklich nicht einfach.
»Das ist alles nicht leicht für ihn. Simone tot, die Tochter schwer krank … Ich hatte den Eindruck, dass Sie ihm nahestehen. Ich mache mir Sorgen um ihn, aber leider müssen wir ja zurück aufs Festland.« Ein wenig Pokern gehörte zum Spiel.
»Na ja.«
»Wenn ich mich getäuscht haben sollte, entschuldigen Sie bitte. Immerhin kommt ja Simones Schwester rüber und kümmert sich hier um alles. Da muss ich mir wohl keine allzu große Sorgen machen.«
Bei diesen Worten ging ein Ruck durch die Frau am Fenster. »Ilka kommt?«
»Wenn die Schwester Ilka heißt, dann ja.«
»Na denn man to.« Die Frau stützte sich hoch. »Hab jetzt keine Zeit mehr zum Klönen. Also: Alles Gute.« Mit diesen Worten wurde das Kissen aus dem Fenster und der Vorhang zugezogen.
***
»Es war also doch was zwischen dir und der Gerjets.« Edeltraud pfefferte die Plastiktüte der »Buddelei« aufs Bett, die sicherlich ihren neuesten Frustkauf enthielt, und sah Horst derart wütend an, dass ihre Augen wahre Blitze abschossen.
»Schrei nicht so. Kriegt ja die halbe Insel mit, wenn du so brüllst.« Horst Schöneberg nahm demonstrativ sein Buch wieder hoch. Er hatte keine Lust auf eine neuerliche Eifersuchtsszene, zumal jetzt ja sowieso nichts mehr zu befürchten war. »Stell dich nicht so an. Da war nichts, das hab ich dir doch gesagt. Und nun ist Simone tot, da kann demnach auch zukünftig nichts mehr beginnen. Also reg dich ab.«
»Nein, mein Lieber, so einfach kommst du mir nicht aus der Nummer raus. Also, ich bin noch mal hin zur Pension, hab gedacht, ich könnte der Polizei noch was helfen, es war aber nur noch der Gerjets da. Ist übrigens ein richtig fescher Typ, der Mann, an dem solltest du dir mal ein Beispiel nehmen. Die Figur … mein lieber Schwan. Aber unhöflich ist der, der hat einfach gesagt, die Polizei sei nicht mehr da, und hat die Tür zugemacht. Finde ich ganz schön dreist, wo wir die Sache doch quasi aufgedeckt haben. Wer weiß, wie lange man sonst im Dunkeln getappt wäre, wenn wir nicht gewesen wären. Na egal. Wie ich zurückgehe, sehe ich die Nachbarin in ihrem Fenster. Die, die immer raucht und den ganzen Tag da sitzt. Ich wollte natürlich an ihr vorbeigehen, aber sie hat mich angesprochen.« Edeltraud sprach fast, ohne Luft zu holen. »Und da hat sie mich gefragt, wie es dir denn jetzt geht, wo du doch mit der Gerjets so verbunden warst. Und dass sie hofft, dass dich das nicht zu sehr mitnimmt. Und ich dir hoffentlich eine Stütze bin. Ich hab gedacht, ich hör nicht richtig. Na, da bin ich aber erst mal zu der hin und hab sie gefragt, was sie denn damit meint. Und dann hat sie mir erzählt, dass du ja nicht nur sehr oft da gewesen bist, sondern auch immer sehr vertraut mit der Gerjets warst.«
»So 'n Quatsch«, wehrte Horst ab.
»Hör mir auf mit ›So 'n Quatsch‹«, bellte Edeltraud. »Da ist doch garantiert was dran. Warum sollte die mir das sonst erzählen? Ich hab das ja selbst auch gespürt, dass da was lief mit der. Also raus mit der Sprache: Was war zwischen dir und der Gerjets?«
»Nichts. Ist bloß leeres Geschwätz einer alten, gelangweilten Frau, die den üblichen Abschiedskuss auf die Wange gründlich missverstanden hat. Vielleicht wollte sie aber auch einfach nur Streit zwischen uns heraufbeschwören, nur so aus Spaß. Also vergiss es«, sagte Horst und ärgerte sich darüber, nicht besser aufgepasst zu haben. Es wurde Zeit, dass sie abfuhren. Wenn sie erst zu Hause waren, würde Edeltraud die Sache hoffentlich vergessen und sich in ihren Frauenrunden auf ihre großartige Rolle als »Aufdeckerin« eines Mordfalles konzentrieren. Blieb nur zu hoffen, dass die Alte der Polizei gegenüber andere Themen hatte.
***
»Ach Mensch, das ist ja eine schöne Überraschung. Was machst du denn hier?«
Christine war ohne Voranmeldung in Wiebkes Teeladen in der Kirchstraße aufgetaucht und lachte breit, als sie sah, wie sehr Wiebke sich über ihren Spontanbesuch freute. Im letzten Oktober hatten sie sich
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