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Mord Unter Segeln

Mord Unter Segeln

Titel: Mord Unter Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Franke
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die Überfahrt doch etwas Gemütliches hatte.
    Simone wusste damals sicher nicht, dass sie recht behalten würde. Ihre Zeit, ihre Lebenszeit, war tatsächlich kürzer gewesen als die vieler anderer.
    Ein kleiner Ruck ging durchs Schiff, als sie anlegten. Während die anderen Passagiere sich in die Schlange derer einreihten, die von Bord drängten, blieb Ilka an der Reling stehen. Sah die Menschen auf die bunten Waggons der Inselbahn zustreben, sah rechts den Seglerhafen, das Seglerheim und die »Teestube«. Langsam gestattete sie ihren Lungen, die so vertraute, so lang vermisste Inselluft tief aufzusaugen. Ein Mitarbeiter der Reederei kam aufs Oberdeck.
    »Ist alles okay?«, fragte er. »Sie sind die Letzte, wir verladen grad die Gepäckcontainer, der Zug fährt gleich ab.«
    Ilka drehte sich um. »Ja. Danke. Ich brauchte nur ein paar Minuten, um wieder auf Langeoog anzukommen. Ist lange her, dass ich zuletzt hier war.«
    »Verstehe.« Der Mann klang allerdings so, als ob er gar nichts verstünde, wie sollte er auch. »Aber wir müssen gleich wieder los. Die Tide, wissen Sie? Wenn wir nicht hierbleiben wollen, was nicht geht, wegen der nächsten Tour …«
    »Ist schon klar, bin schon weg.« Sie nahm ihren Rucksack und verließ die Fähre, wobei sie versuchte, ihre Aufregung zu besiegen.
    In der Inselbahn holte sie die Rescue-Tropfen aus ihrem Rucksack und umschloss das Fläschchen fest mit der Hand. Alles war gut, sie brauchte gar nicht so nervös zu sein. Sie war hier, um Peter vor allem wegen Sophie zu unterstützen. Sie umfasste die kleine Flasche so fest, dass sich ihre Fingernägel in die Handinnenfläche gruben. Alles war gut.
    Wieder ließ sie alle Mitreisenden aus dem Waggon aussteigen und trat als Letzte auf den Bahnhof, der von Menschen wimmelte. Ein Drehorgelspieler ließ alte Jahrmarktmusik erschallen. Ilka blieb einen Moment stehen. Schon in Bensersiel hatte sie über das neue Hafengebäude gestaunt, aber auch hier hatte sich einiges getan in den vergangenen Jahren. Die Überdachung im Wartebereich war neu, und auch das Bahnhofsgebäude kannte sie in dieser Form nicht. Modern, flott, richtig gut. Immer noch die Rescue-Tropfen in der Hand, ging sie durch die sich ihr entgegendrängenden Menschen hindurch zu den Containern. Ihr Koffer befand sich in Nummer siebzehn. Das Einprägen der Containernummer hatte sie seit ihrer Kindheit verinnerlicht.
    Langsam zog sie ihren Koffer hinter sich her. Lief die Straße hinter dem Bahnhof entlang, freute sich über das neue Café, das wie ein kleiner Sandstrand aufgezogen worden war, in dem Familien mit Kindern in Strandkörben saßen. Eine Frau las ein Buch, ein junger Mann hatte einen Laptop auf dem Schoß. Nach knapp zehn Minuten bog sie in die Gartenstraße ein. Und während sich ihre Hand um die Flasche auf dem Weg ein wenig gelockert hatte, spürte sie ihre Fingernägel nun wieder schmerzhaft. Noch dreißig Meter.
    »Na, wenn das mal nicht die Ilka ist. Hast dich ja lange nicht blicken lassen.«
    Die weibliche Stimme kam von rechts, und augenblicklich wusste Ilka, zu wem sie gehörte: Alwine Carstens. Seltsam, dass ihr die noch im Ohr geblieben war. Dabei hatte sie seit Jahren nicht an Alwine gedacht. Und doch war diese Zeterstimme unverwechselbar. Alwine war schon früher ein Drachen gewesen, hatte immer geschimpft, wenn Simone und sie in den Ferien in der Mittagszeit auf der Straße zwischen der Pension und Alwines Haus Ball gespielt hatten. Ihre Oma hatte immer versucht, Alwine zu beschwichtigen. Es seien doch Kinder, und Alwines Schlafzimmer gehe nach hinten raus, da könne sie die Mädchen bei ihrem Mittagsschläfchen doch gar nicht hören, aber Alwine schimpfte und blieb an ihrem Zimmerausguck sitzen.
    »Hallo, Tante Alwine.« Natürlich war Alwine nicht wirklich ihre Tante, aber Simone und sie waren so aufgewachsen, dass alle, mit denen die Eltern oder die Oma befreundet waren, ein »Tante« oder »Onkel« vor den Vornamen gestellt bekamen. Warum, das hatte Ilka nie erfahren. Ob Alwine wusste, wieso? Ihre Eltern konnte Ilka ja leider nicht mehr fragen, und bis zu diesem Augenblick hatte sie sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, jetzt aber fühlte sie sich leicht bescheuert dabei, jemanden, mit dem sie eigentlich nichts zu tun hatte, so vertraut anzusprechen.
    Einen Moment zögerte sie, näher ans Fenster zu treten, dann jedoch ließ sie den Koffergriff los und trat vor. Ein Gespräch mit Alwine würde dem Zusammentreffen mit Peter noch einen

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