Mord Unter Segeln
zwischen seinen Aufenthalten auf der Insel via Mails gehalten. Das jedoch musste weder die Polizei noch Edeltraud wissen. Ein dicker Stein war ihm vom Herzen gefallen, als er gemerkt hatte, wie einfach er auf ihren PC zugreifen konnte, sie hatte immer noch das gemeinsame Passwort benutzt. Im Handumdrehen hatte er seine Mails löschen können.
Er hörte die Zimmertür aufgehen und drehte sich um. Edeltraud marschierte in einer Art auf ihn zu, die nichts Gutes verhieß. Horst versuchte, entspannt zu lächeln. Er wusste, egal, was Edeltraud jetzt vorbrachte, es würde jeglicher beweisbaren Grundlage entbehren. Er konnte nicht verhindern, dass er zufrieden die Lippen schürzte, während Edeltraud sich vor ihm aufbaute.
***
Das Faxgerät der Pension hatte eine halbe Stunde nach ihrem kurzen Telefonat die erforderlichen Listen ausgespuckt. Peter Gerjets saß im Büro seiner Frau und wählte sich durch die dort verzeichneten Nummern.
Leise schloss Christine die Tür hinter sich. Man musste ihm Zeit geben, alles sacken zu lassen und das Notwendige zu erledigen. Der Mann war die Arbeit rund um die Pension ja nicht gewohnt, hinzu kam die kranke Tochter. Es hatte ihn wirklich auf allen Ebenen schwer getroffen.
»Kann ich noch etwas für Sie tun?«, hatte sie gefragt, als sie ihm die Listen reichte. »Soll ich jemanden anrufen? Haben Sie Hilfe?«
»Meine Schwägerin kommt«, hatte Gerjets geantwortet. »Sie wird mir den Pensionskram abnehmen und sich auch um Sophie kümmern.«
Bei diesen Worten war Christine ein kleiner Stein vom Herzen gefallen. Wenn es die Schwägerin gab, hatte Gerjets zumindest einen ihm nahestehenden Menschen, der ihm half, das alles ein wenig besser zu ertragen.
Oda und Dirks holten gerade in der benachbarten Bäckerei beziehungsweise in dem Strandkorb, der davorstand, ihre Mittagspause nach, als Christine zu ihnen trat. Jeder hatte einen Pappbecher mit Kaffee in der einen und eine Zigarette in der anderen Hand.
»Manssen hat Handschellen im Schlafzimmer gefunden«, sagte Oda und nahm einen tiefen Zug, worum Christine sie in diesem Augenblick abgrundtief beneidete, obwohl sie gar nicht sagen konnte, warum. »Die hingen da am Bettpfosten. Stell dir das mal vor.«
»Vielleicht hatte die Gerjets einen besonderen Sinn für Humor«, überlegte Christine laut, »oder sie hatte tatsächlich Spaß an derartigen Spielchen.«
»Da sollten wir mal nachhaken«, sagte Dirks voller Tatendrang, wofür Oda ihn lachend in die Seite stieß.
»Klar, das möchtest garantiert du übernehmen, oder?« Sie wandte sich wieder Christine zu. »Mit Gerjets alles klar?«
»Ja. Er regelt das jetzt mit den Gästen, die in der nächsten Zeit Zimmer gebucht haben. Ich hab das Gefühl, er ist inzwischen ziemlich stabil.«
»Na denn …« Odas skeptische Miene ließ Christine schmunzeln. Natürlich war in Anbetracht der Emotionalität der Tat der Ehemann grundsätzlich unter den Top drei der Verdächtigenliste. Irgendwie war ihr das bislang aber alles noch zu vage, auch wenn man natürlich nicht außer Acht lassen durfte, dass Peter Gerjets ein begeisterter Segler war.
Ein begeisterter Segler? Warum kam ihr das erst jetzt in den Sinn? Christine runzelte die Stirn. Gerjets hatte erwähnt, dass er mit seiner Tochter segelte. Dass Sophie das Wasser ebenso liebte wie er. Deswegen hatte ihr Hirn die Querverbindung zu Simone, was das Segeln betraf, gar nicht erst hergestellt.
»Alles okay?«, fragte Oda und blickte sie aus dem Strandkorb heraus an. »Du guckst so komisch.«
»Soll ich dir auch einen Kaffee holen?«, fragte Dirks dienstbeflissen, blieb jedoch neben Oda sitzen.
»Nein. Ich muss mal eben was klären. Und dann geh ich schnell bei Wiebke vorbei. Ich komm danach zum Revier. Wo ist das noch mal?«
Dirks antwortete: »An der Kaapdüne. An Lale Andersen vorbei und dann links. Ist gleich das zweite Haus auf der rechten Seite.«
»Gut, dann sehen wir uns so in einer knappen Stunde. Die Fähre geht um halb sechs?«
»Der Zug. Ab Bahnhof.«
»Gut.« Christine machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück.
Wie gehofft, lehnte die rauchende Nachbarin immer noch auf ihre Kissen gestützt im offenen Fenster.
»Moin.« Inzwischen war Christine der Gruß dieses Landstriches in Fleisch und Blut übergegangen. Zugezogene oder Touristen sagten oft »Moin, moin«, was nicht nur falsch war, sondern sie in den Augen der Einheimischen sogleich disqualifizierte. Denn »Moin« war die Abkürzung für »Mojen Dag«, und auf
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