Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morddeutung: Roman (German Edition)

Morddeutung: Roman (German Edition)

Titel: Morddeutung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jed Rubenfeld
Vom Netzwerk:
Anästhesielehrbücher brachten mich nicht weiter. So wandte ich mich der parapsychologischen Literatur zu. Im Kartenkatalog gab es einen Eintrag zu ASTRALE PROJEKTION, doch der Text entpuppte sich als theosophisches Gefasel. Dann stieß ich auf ein Dutzend Einträge unter BILOKATION. Durch diese fand ich nach zweistündigem intensivem Stöbern schließlich, was ich gesucht hatte.
    Ich hatte Glück. In Durvilles gerade veröffentlichtem Buch über Erscheinungen gab es mehrere Verweise. Bozzano hatte von einem höchst aufschlussreichen Fall berichtet und Osty von einem noch klareren im Mai-Juni-Heft der Revue Métapsychique . Doch restlos beseitigt waren meine Zweifel erst, als ich bei Battersby ein Zitat aus einem Patientenbericht fand.
    Ich wehrte mich so heftig, dass mich die zwei Krankenschwestern und der Spezialist nicht festhalten konnten … Als Nächstes vernahm ich durchdringende Schreie; ich war oben in der Luft und blickte hinunter auf das Bett, über das sich die Krankenschwestern und der Arzt beugten. Ich war mir bewusst, dass sie vergeblich versuchten, das Schreien zu unterbinden. Ich hörte sogar, wie sie sagten: »Miss B., Miss B., schreien Sie doch nicht so. Sie erschrecken die anderen Patienten.« Gleichzeitig wusste ich genau, dass ich völlig getrennt war von meinem Körper und nichts tun konnte, um das Schreien zu beenden.
    Ich hatte keine Telefonnummer von Detective Littlemore, aber ich erinnerte mich, dass er im neuen Polizeihauptquartier in der Innenstadt arbeitete. Und wenn ich ihn dort nicht persönlich antreffen sollte, konnte ich ihm zumindest eine Nachricht hinterlassen.

KAPITEL ZWANZIG
     
    Im Van den Heuvel Building rannte ein Botenjunge hinauf zu Coroner Hugels Büro, um zu melden, dass ein Rettungswagen soeben eine neue Leiche im Leichenschauhaus abgeliefert hatte. Völlig ungerührt wollte der Coroner den Boten wegschicken, doch der Junge blieb stehen. Es war nicht irgendeine Leiche, erklärte er, sondern die von Detective Littlemore. Fluchend schnellte der Coroner zwischen den Schachteln und turmhoch aufgestapelten Papieren auf dem Boden hervor und rannte so schnell in den Keller hinunter, dass ihm der Junge kaum folgen konnte.
    Littlemores Leiche befand sich nicht im Schauhaus, sondern im Vorzimmerlabor, wo Hugel seine Obduktionen durchführte. Der Detective war auf einer fahrbaren Trage hereingerollt und auf einen Autopsietisch gelegt worden. Die Sanitäter waren bereits verschwunden.
    Hugel und der Botenjunge kamen ins Vorzimmer gestürzt und erstarrten beim Anblick der verkrümmten Leiche. Hugel umklammerte die Schulter des Jungen wie ein Schraubstock und näherte sich langsam dem Tisch.
    »O nein«, ächzte der Coroner. »Das ist meine Schuld.«
    »Nein, ist es nicht, Mr. Hugel«, antwortete die Leiche und schlug die Augen auf.
    Der Botenjunge stieß einen gellenden Schrei aus.
    »Heilige Scheiße!«, entfuhr es Hugel.
    Der Detective setzte sich auf und klopfte sich den Staub vom Revers. Auf dem Gesicht des Coroners mischten sich zu gleichen Teilen nachlassender Kummer und aufsteigender Zorn. »Tut mir leid, Mr. Hugel«, bemerkte Littlemore verlegen. »Aber jetzt ist alles in Butter. Ich hab was Großes für Sie – was wirklich Großes.«
    Wortlos stakste der Coroner davon. Littlemore sprang vom Tisch. Als er auf dem Boden aufkam, schrie er vor Schmerz. Sein rechtes Bein war doch schlimmer verletzt, als er gedacht hatte. Trotzdem blieb er Hugel auf den Fersen und beschrieb ihm seine Theorie über den Tod von Seamus Malley.
    »Lachhaft«, lautete die Antwort des Coroners. Er stieg weiter die Treppe hinauf und würdigte den hinter ihm drein hinkenden Littlemore keines Blickes. »Warum soll Banwell, nachdem er diesen Malley umgebracht hat, die Leiche im Aufzug nach oben schleppen? Damit er bei der Fahrt nach oben Gesellschaft hat?«
    »Vielleicht ist Malley ja erst auf dem Weg nach oben gestorben.«
    »Ach, ich verstehe«, warf der Coroner hin. »Banwell tötet ihn im Aufzug und lässt ihn dann dort liegen, damit die Chancen steigen, dass er wegen zweier Morde verhaftet wird. Banwell ist nicht dumm, Detective. Er ist äußerst berechnend. Wenn er getan hätte, was Sie sagen, wäre er mit dem Aufzug sofort wieder hinunter in den Senkkasten gefahren und hätte diesen Malley genauso beseitigt, wie er es nach ihrer Beschreibung mit Miss Riverford gemacht hat.«
    »Aber der Lehm, Mr. Hugel, ich hab ganz vergessen, Ihnen von diesem Lehm zu erzählen …«
    »Ich will es gar nicht

Weitere Kostenlose Bücher