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Morddeutung: Roman (German Edition)

Morddeutung: Roman (German Edition)

Titel: Morddeutung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jed Rubenfeld
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gezeigt auf Schiff. Sogar einen von Jung an Mutter von diese Mädchen – sehr seltsam. Freud hat mich gebeten um Rat.« Ferenczi war sichtlich stolz auf diese Tatsache. »Ich habe gesagt, er soll nicht nehmen die Worte von Mädchen als Beweis. Natürlich ich wusste schon längst davon. Alle wissen. Eine wunderschöne Mädchen – Jüdin – eine Studentin. Angeblich Jung hat sie nicht gut behandelt.«
    »O nein.« Brill blickte in Richtung Eingang des Frühstückssaals. Freud war erschienen, aber er war nicht allein. Er wurde von einem anderen Mann begleitet, den ich vor einigen Monaten auf dem psychologischen Kongress in New Haven kennengelernt hatte. Es war Ernest Jones, Freuds britischer Anhänger.
    Jones war nach New York gekommen, um sich für den Rest der Woche unserer Gruppe anzuschließen und am Samstag mit uns zur Clark University zu reisen. Der ungefähr vierzigjährige Jones war so klein wie Brill, aber ein wenig korpulenter mit einem überaus weißen Gesicht, dunklem, stark geöltem Haar, praktisch keinem Kinn und einem verkniffenen, schmallippigen Lächeln, das eher auf Selbstgefälligkeit als auf Liebenswürdigkeit schließen ließ. Er hatte die eigenartige Angewohnheit, Personen, mit denen er redete, nicht anzuschauen. Freud, der scherzhafte Bemerkungen mit Jones austauschte, als sie näher kamen, war offensichtlich erfreut, ihn zu sehen. Weder Ferenczi noch Brill schienen diese Empfindung zu teilen.
    »Sándor Ferenczi«, sagte Jones. »Was für eine Überraschung, alter Junge. Aber Sie wurden doch nicht eingeladen, oder? Von Hall, meine ich, um an der Clark University einen Vortrag zu halten?«
    »Nein«, antwortete Ferenczi, »aber …«
    »Und Abraham Brill.« Jones ließ den Blick durch den Saal schweifen, als erwartete er, noch weitere Bekannte zu entdecken. »Wie kommen wir voran? Immer noch drei Patienten?«
    »Vier«, knirschte Brill.
    »Da können Sie sich wirklich glücklich schätzen, mein Freund. Meine Praxis in Toronto ist so überlaufen, dass ich keine Minute mehr freihabe, um irgendwas zu Papier zu bringen. Wirklich, momentan habe ich nur ein paar Sachen in Vorbereitung: einen Aufsatz über Handschriften für Neurology , einen kleinen Text für Insanity und meine Vorlesung von New Haven, die Prince veröffentlichen will. Und wie steht’s mit Ihnen, Brill, dürfen wird demnächst was aus Ihrer Feder erwarten?«
    Jones’ Bemerkungen hatten nicht unbedingt zu einer geselligen Atmosphäre beigetragen. Brill heuchelte Enttäuschung. »Leider nur Freuds Hysteriebuch.«
    Um Jones’ Lippen arbeitete es, aber er brachte kein Wort heraus.
    »Ja, nur meine Übersetzung von Freud«, ergänzte Brill. »Mein Deutsch war stärker eingerostet, als ich gedacht hatte, aber jetzt bin ich fertig.«
    Erleichterung trat in Jones’ Gesicht. »Freud braucht doch keine Übersetzung ins Deutsche, Sie Tölpel.« Er lachte laut. »Freud schreibt doch auf Deutsch. Er braucht einen englischen Übersetzer.«
    »Ich bin der englische Übersetzer.«
    Jones schien wie vor den Kopf geschlagen. Er wandte sich an Freud. »Sie … Sie können doch nicht … Sie lassen sich von Brill übersetzen?« Seine nächsten Worte galten wieder Brill. »Aber ist denn Ihr Englisch überhaupt gut genug für so was, alter Knabe? Schließlich sind Sie nur ein Einwanderer.«
    »Ernest«, mahnte Freud, »halten Sie Ihren Neid im Zaum.«
    »Was?«, ereiferte sich Jones. »Ich soll neidisch auf Brill sein? Wie käme ich dazu?«
    In diesem Augenblick rief ein Junge mit einem Silbertablett Brills Namen aus. Auf dem Tablett lag ein Umschlag. Mit gewichtiger Miene gab Brill dem Jungen zehn Cent Trinkgeld. »Ich wollte schon immer mal in einem Hotel ein Telegramm erhalten«, meinte er munter. »Gestern hätte ich mir fast selbst eins geschickt, nur um zu sehen, wie es sich anfühlt.«
    Doch als Brill die Nachricht aus dem Umschlag gezogen hatte, erstarrten seine Züge. Ferenczi nahm ihm das Schreiben aus den Händen und zeigte es uns. Es war tatsächlich ein Telegramm.
    DA LIESS DER HERR SCHWEFEL UND FEUER
REGNEN AUF SODOM STOPP UND SIEHE,
DA GING EIN RAUCH AUF VOM LANDE WIE
EIN RAUCH VOM OFEN STOPP UND SEIN WEIB
SAH HINTER SICH UND WARD ZUR SALZSÄULE
STOPP BEVOR ES ZU SPÄT IST STOPP
    »Schon wieder«, flüsterte Brill.
    »Ach was«, meinte Jones, »kein Grund dreinzuschauen, als wäre Ihnen ein Geist erschienen. Das stammt natürlich von einem religiösen Fanatiker. Die gibt es in Amerika haufenweise.«
    »Aber woher wissen die, dass ich

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