Mordgier
vorher und nachher. In dem Haus, in dem er wohnte, und dann in einer Bar, wo er in dieser Nacht mit seiner neuen Freundin tanzen war, deshalb kann er es auf keinen Fall gewesen sein. Trotzdem hab ich ihn gebeten, sich an den Lügendetektor zu setzen, und er hat zugestimmt. Hat ohne Probleme bestanden. Er behauptete, Leonora und er hätten sich freundschaftlich getrennt, und hatte eine Weihnachtskarte von ihr als Beweis. Außerdem schien er richtig erschüttert zu sein von ihrem Tod. Und was weiß ich, vielleicht war Bright gar nicht das eigentliche Ziel, sondern Tranh. Obwohl ich niemand gefunden habe, der über sie reden wollte. Hab mir die Zeit genommen, ihre Familie zu besuchen - ein großer Clan unten in Anaheim. Alle weinten und schluchzten und zündeten Kerzen vor ihrem Buddha an. Wenn man ihnen zuhörte, war Vicki eine Nonne, hatte keine Feinde.«
»Hatten Sie Grund, das zu bezweifeln?«
»Nein«, sagte er. »Aber ich bin von Haus aus nicht besonders vertrauensselig. Sind Sie heute dort hingefahren?«
»Klar.«
»Immer noch ein Kuhdorf?«
»Mehr oder weniger.«
»Bei einem derartigen Kaff sollte man meinen, dass irgendjemand was weiß. Aber alles, was diese Hinterwäldler sagen konnten, war, wie nett die beiden gewesen sind.« Raues Lachen. »Nette Leute sind der Fluch eines Detectives.«
»Während ich da war, habe ich eine Frau namens Mavis Wembley kennen gelernt -«
»Ach, die«, sagte Bragen. »Die alte Dicke. Die hat ihre Nase in alles reingesteckt, ich konnte sie nicht zum Schweigen bringen. Aber sie hatte auch nichts zu sagen.«
»Nehmen Sie ihr die Geschichte von Leonoras Bruder nicht ab?«
»Hey, wenn Sie dem Hinweis nachgehen wollen, viel Glück, Kumpel. Ich kann nicht glauben, dass sie immer noch am Leben ist. Dick wie eine Kuh. Wie dieser Außerirdische in Krieg der Sterne - Jabba der was auch immer. Sie rief mich gerne zu sich . Ihre Formulierung. ›Detective Bragen, darf ich Sie zu einem kleinen Schwatz zu mir rufen ?‹ Wenn Sie an einem Fall arbeiten, können Sie nichts von vornherein ausschließen, also bin ich zu ihr gefahren, und sie saß da in ihrem Sessel und versuchte, Informationen aus mir rauszuholen. Aber wie ich schon sagte, man muss jedem Hinweis nachgehen, also hab ich mit dem Bruder gesprochen. Er hatte auch ein Alibi - er war arbeiten, irgendein Schwulenjob -, wir reden hier von einem richtigen Leichtgewicht. Er war sogar noch emotionaler als José … Castro, das war der Name. José Castro, genau wie Fidel.«
»So viel zu Ansell«, sagte ich.
»Ansell?«
»So heißt er, laut dem Nachruf auf seinen Vater.«
»Der Typ, mit dem ich gesprochen habe, nannte sich Dale. Und so hat ihn auch seine Mutter genannt. Von ihr hab ich überhaupt erst seine Nummer bekommen. Und verschwenden Sie nicht Ihre Zeit mit ihr, sie ist ein paar Monate nach Leonora gestorben. An Krebs. Bei dem Vater waren es, glaube ich, Probleme mit dem Herz. Die Familie hatte eine Pechsträhne. Dale hat sich um sie gekümmert, er war bei ihr zu Hause, als ich ihn anrief.«
»Vielleicht ist Dale sein Spitzname«, sagte ich.
»Mag sein. Der Typ flatterte durchs Telefon. Es war so, als würde man mit einem Mädchen sprechen. Das ist kein Mensch von dem Kaliber, der zwei gesunde Frauen überwältigen und ihnen antun könnte, was ihnen angetan worden ist. Wenn Sie Ihr Mittagessen wieder loswerden wollen, besorgen Sie sich diese Autopsiefotos.«
Durchs Telefon . Er hatte Ansell »Dale« Bright nie persönlich kennen gelernt, hatte keinen blassen Schimmer von Größe und Stärke des Mannes.
»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte ich.
»Ich habe alles in die Akte getan, Doktor.«
»Wo ist die Akte?«
»Wahrscheinlich in einem Lagerraum«, antwortete er. »Sie sind mit dem ganzen Archiv vor ein paar Jahren umgezogen, eine Menge Zeug hat es geschafft, von dem LKW zu fallen. Nicht mein Problem. Sollte auch nicht Ihres sein. Der Fall hat’s hinter sich.«
*
Mavis Wembley hatte José Castro nicht erwähnt. Ich fand ihre Nummer in meinen Notizen.
Es war fast zehn Uhr. Ich setzte darauf, dass sie eine Nachteule war.
Sie nahm beim ersten Klingeln ab. »Süßer! Haben Sie irgendwas aufgeklärt?«
»Keine Chance. Aber ich habe erfahren, dass Leonora verheiratet war -«
»Mit José. Sie haben mit Bragen gesprochen, stimmt’s? Der Blödmann war auf José fixiert, noch bevor er ihn gesehen hatte, Sie wissen schon, warum.«
»Warum?«
»José war Mexikaner. Es gab jede Menge Geschwätz darüber, dass es ein
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