MORDMETHODEN
dass Paul urplötzlich nach St. Catherines ziehen wollte. Was trieb Paul aus Scarborough fort?
Alex Smirnis hatte noch mehr gegen Paul auf Lager. Bei einem gemeinsamen Ausflug hatte dieser einmal ein Mädchen mit aufs Zimmer genommen, sie betrunken gemacht und dann vergewaltigt. Zudem, so ergänzte Smirnis, bewahre Paul in seinem Auto stets ein Messer auf. Er müsse der »Scarborough Rapist« sein.
Obwohl die Polizisten nicht sicher waren, ob Alex Smirnis vertrauenswürdig war, klingelte irgendwo ganz leise ein Glöckchen. Trotz der offensichtlichen Ähnlichkeit Bernardos mit den Phantombildern landete Paul zwar immer noch nicht ganz oben auf der Fahndungsliste. Weil die Polizistenaber nach Smirnis’ Besuch die Aktenberge über die Vergewaltigungen noch einmal durchsahen, tauchte ein lange verschwundenes Schriftstück wieder auf. In der Akte zum Fall Mary Both fand sich Kommissar McNiffs Bericht, der wegen des Datums im falschen Ordner verschwunden war und in dem Bernardos Freundin Jennifer von Pauls Gewalttaten erzählt hatte.
Nach zwei Monaten machte sich endlich ein Polizeiteam zu den Bernardos auf. Die Beamten trafen nur Pauls Eltern an und hinterließen daher ihre Visitenkarten sowie die Bitte, ihr Sohn möge sich melden. Tatsächlich rief dieser kurz darauf zurück und meldete sich zur Befragung. Den Vernehmungsbeamten erzählte er fröhlich von seiner neuen Liebe zu Karla und dass er es selbst merkwürdig fände, wie sehr er dem Phantombild glich. Vergewaltigung sei für ihn kein Thema, weil er stets genügend Freundinnen habe. Am Tag, an dem die Joggerin ermordet wurde, sei er in Florida gewesen.
Paul Bernardo hatte sich im Griff: Kontrolle war sein Lieblingsspiel. Er kam den Beamten um ein Vielfaches sympathischer, höflicher und intelligenter vor als Alex Smirnis, der ihn angezeigt hatte. Die Polizisten waren nur wenige Jahre älter als Bernardo und mit ihm auf einer Wellenlänge. Sie ließen ihn gehen, nachdem er noch eine Blutprobe per Stich in die Fingerkuppe abgegeben hatte. Diese Blutprobe ging nicht verloren. Sie wurde als Vergleichsmaterial eines möglichen Verdächtigen ins Labor geschickt. Dort sollte sie mit dem Sperma verglichen werden, das bei einem der Vergewaltigungsopfer gefunden worden war. Bis es so weit war, verging aber sehr viel Zeit.
Kaum hatte Bernardo das Polizeigebäude verlassen, verlor er die Fassung. Er raste zu Karla nach St. Catherines und stieg durch das rückwärtige Kellerfenster ein, um von ihren Eltern nicht gesehen zu werden. Dann erzählte er Karla von der Befragung. Da sie von der letzten Vergewaltigung nichts wusste, versuchte sie ihn zu beruhigen, aber Paul war aufgelöst. Dassein Bogen zwischen dem letzten Verbrechen und dem Mord an der Joggerin, der wesentlich weiter zurücklag, geschlagen wurde, machte ihm Angst. Karla war verwirrt. Sie würde Paul jederzeit problemlos ein Alibi geben können, denn er war am Abend vor der letzten Vergewaltigung ja tatsächlich auf ihrer Geburtstagsfeier gewesen.
Es wurde Zeit für einige Nachforschungen. Paul und Karla gingen zusammen in die Bibliothek und sahen die Zeitungen der letzten Jahre durch. Auf einen Block, der auch die Einkaufsliste für ihre Hochzeit enthielt, schrieben sie die Daten aller Vergewaltigungen des »Scarborough Rapist« auf – außerdem Zeit, Ort und Personenbeschreibungen des Täters. Dabei erkannten die beiden, dass die Polizei im Dunkel stocherte und offenbar keine Ahnung hatte, dass Paul ein ernsthafter Verdächtiger war. Alle Hinweise auf ihn, abgesehen von seinem Phantombild, waren scheinbar verschwunden.
Karla experimentiert
Am 20. November 1990 tüftelte Karla an einem neuen, besseren Betäubungsmittel für ihre Schwester. Es sollte erstens nicht so bitter schmecken wie die meisten Medikamente und zweitens dazu führen, dass die Schlafende wirklich gar nichts spürte oder sah. In der alten Ausgabe eines jährlich neu aufgelegten Arzneimittelverzeichnisses, das Karla aus der Tierarztpraxis mitgenommen hatte, wurde sie fündig. Das Schlafmittel Halcion, stand dort, habe vergleichsweise geringe Nebenwirkungen. Es war daher recht leicht aufzutreiben. Für die Tierarzthelferin Karla war das noch einfacher, da sie für die Praxis die täglichen Medikamenteneinkäufe in der örtlichen Apotheke erledigte.
Um die Betäubung noch sicherer zu machen, wollte Karla außerdem Halothan einsetzen. Dieses Narkosemittel wurde in der Tierarztpraxis routinemäßig verwendet und war daher noch leichter zu
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