MORDMETHODEN
Bushaltestelle vorbeigefahren und sah ihren Kollegen dort in seinem weißen Capri sitzen. Sie versuchte sich ihm bemerkbar zu machen und winkte. Doch Bernardo starrte so konzentriert in Richtung Haltestelle, dass die freundliche Geste unbemerkt blieb.
Am nächsten Morgen hörte die Kollegin von der Vergewaltigung und dachte sich ihren Teil. »Ich habe dich heute Nacht an der Haltestelle gesehen«, sagte sie Bernardo ins Gesicht. »Du musst der Vergewaltiger sein.« Paul war um eine Antwort nicht verlegen. »Also wirklich!«, sagte er. »Man sollte niemanden einer solchen Tat bezichtigen.« Und damit war die Sache erledigt.
Hochzeitsglocken an den Niagara-Fällen
1989 endete auch Karlas Schulzeit. Sie arbeitete fortan in einer Tierarztpraxis, weil sie keine Lust hatte, weiter die Schul- oder eines Tages gar die Hochschulbank zu drücken. Im Oktober des Jahres schickte sie einer Freundin begeistert den Schweif eines Welpen: »Habe ich gerade mit einer Nagelschere abgeschnitten«, notierte sie auf einen Zettel, den sie dazusteckte. »Schick, oder?«
Im gleichen Jahr wurden genetische Fingerabdrücke als Ermittlungshilfe entdeckt. In Kanada dauerte es zwar noch ein weiteres Jahr, bis ein eigenes Labor aufgebaut wurde, aber hin und wieder wurden bereits biologische Spuren von Tatorten hier zur Untersuchung in die USA geschickt. Deshalb ließ Detective Irwin, als er am 21. November 1989 das nächsteVergewaltigungsopfer in Scarborough untersuchte, nicht nur alle Kleidungsstücke, sondern auch Spuren von den Fingernägeln und denjenigen Bereichen, die mit dem Penis des Täters in Berührung gekommen waren, der Abteilung für Kriminalbiologie des zuständigen Leichenbeschauers zukommen. Damit legte Irwin einen wichtigen Grundstein für die Ermittlungen, denn biologische Spuren verschiedener Tatorte können durch übereinstimmende DNA-Muster einander zugeordnet werden. Auf diese Art weiß die Polizei auch ohne Verdächtigen, ob alle Taten von derselben Person begangen wurden: An jedem Tatort findet sich derselbe genetische Fingerabdruck. Taucht dann ein Verdächtiger auf, kann dieser sofort allen Taten sicher zugeordnet werden. Doch erst einmal geschah mit dem von Irwin eingesandten Material nichts, denn, wie gesagt, in Kanada gab es noch kein entsprechendes Labor.
Auch das neue Phantombild brachte keine Überraschung: Es glich dem des bisherigen Täters. Immerhin war damit nach dem zwölften Überfall endgültig klar, dass die Vergewaltigungen von Scarborough eine Tatserie darstellten.
Gegen Ende 1989 kündigten sowohl Karla als auch Paul ihre bisherigen Jobs. Karla wechselte in eine größere Tierarztpraxis, wo sie nun auch bei Operationen assistieren durfte. Paul machte sich »selbstständig« und begann, in großem Stil Zigaretten zu schmuggeln. Die Stangen kaufte er in den USA und brachte sie in seinem Auto über die Grenze nach Kanada, wo er sie mit einem saftigen Erlös verkaufte, da Zigaretten in Kanada hoch besteuert werden.
Nach seiner ersten erfolgreichen Schmuggeltour machte Paul Karla einen Heiratsantrag. Dazu lud er sie zu einem Ausflug ins romantische Victoria Village an den Niagara-Fällen ein. »Es war ein Liebesparadies«, schrieb Karla über diesen 9. Dezember 1989 in ihr Tagebuch. »Rote und grüne Lichter leuchteten über den Wasserfällen, und der Schnee fiel im Mondlicht sanft herab … Paul zog eine Spieluhr hervor, in derein Einhorn aus Glas war. Um das Horn lag ein wunderbarer Diamantring … Um mich zu wärmen, drückte mich Paul ganz fest an sich und flüsterte mir liebe Sachen ins Ohr … Zuletzt waren wir ganz allein, draußen vor der Kirche der Elfen.« Dass der Diamantring ursprünglich zur Verlobung mit Jennifer gedacht war, konnte Karla nicht ahnen.
Keine zwei Wochen später, in der Nacht zum 22. Dezember, wurde Deneen Chenier das nächste Opfer des »Scarborough Rapist«. Ihre Aussage ließ die Polizisten aufhorchen. Der Angreifer hatte wie immer einen Redeschwall losgelassen, während er seine immer gleichen sexuellen Machthandlungen vollzog. Im Hintergrund hatte Deneen eine zweite Person wahrgenommen, die eine Videokamera gehalten, sich aber in die Tat nicht eingemischt hatte.
Da Deneen sich am Rande der Verzweiflung befand und außerdem grün und blau von Schlägen war, zweifelten die Polizisten an ihrer Aussage. Von einer anderen Person war in früheren Tatbeschreibungen nie die Rede gewesen. Doch die Polizei irrte. Die zweite Person existierte: Es war Karla Homolka.
Wie
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