Mords-Bescherung
Teppiche eingewickelte Schweinchen vor. Er stellte sie
sich nackt auf allen vieren zwischen echten Ferkeln vor. Nur das fehlende
Ringelschwänzchen würde sie optisch von den angeblichen Artgenossen
unterscheiden. Eines davon, er konnte nicht sagen, ob es ein Mädchen oder ein
Junge war, hatte einen knallroten Kopf, der kurz vor dem Platzen schien .
Nun wurden die Kinder etwas unruhig und blickten zwischen ihm und
der verschlossenen Tür hin und her.
Es wäre gleich so weit. Er müsse sie nochmals singen hören, da er
eine sehr gute Qualität haben wolle. Die Kinder gaben ihm zu verstehen, dass
sie weitermüssten, doch er ging auf die Einwände nicht ein und ließ sie sich in
Reih und Glied aufstellen.
Der Mann erkundigte sich nach den Namen und konnte somit das
Geschlecht der Kinder ausmachen. Zwei Mädchen, zwei Jungen und der Jugendliche
als Begleitperson, wahrscheinlich um die sechzehn Jahre alt, wenn er richtig
zurückrechnete. Musste nicht ein Erwachsener mitgehen?
Vier Könige? Es sind doch die Heiligen Drei
Könige! Die Musketiere waren vier statt drei. Und vor allem Könige! Nicht
Königinnen!
Die Kinder wurden nun unruhig, und er forderte sie auf, ihre
Übergewänder auszuziehen. Durch die warme Temperatur im Kellerraum hatten sie
zu schwitzen begonnen. Er erklärte ihnen, dass er zuerst nur ihre Stimmen
aufzeichnen wolle.
Er bemerkte, dass die Kinder ängstlich wurden. Der Jugendliche
drückte vergeblich auf seinem Handy herum, doch ein lauter Befehl ließ alle
zusammenfahren. Einem dicken Jungen liefen Tränen über die Wangen, die helle
Spuren durch sein geschwärztes Gesicht zogen. Er meinte, er müsse dringend
pinkeln, und rüttelte an der verschlossenen Tür. Die Mädchen fingen zu weinen
und zu jammern an. Der ganze Kellerraum war erfüllt von lauten und leisen Tönen
der unterschiedlichsten Art.
Und da war plötzlich ein Singen zu hören, ein schöner Vortrag von
einem bekannten Sternsingerlied. Die Kinder wurden ruhiger und suchten den
Verursacher der Melodie. Der einzige Erwachsene im Raum trug gekonnt das Lied
»Es ist ein Ros entsprungen« vor.
Es war außer dem Lied nur mehr das leise Schniefen aus Kindernasen
zu hören.
So macht man das!
***
3. Jänner – später Nachmittag
Frau Bechtle saß mit ihrem Rätselblock Nr. 71 am
Küchentisch und hörte Radio. Seit ihre Nichte nach vielen abgebrochenen
Berufsversuchen als Sprecherin bei dem Privatsender »Radio Ländle Welle« in
Vorarlberg untergekommen war, hörte sie fast nur mehr diesen Sender. Und jetzt
vernahm sie wieder die vertraute Stimme ihrer einzigen Nichte.
Hier spricht Helga Dünser aus Feldkirch.
Soeben gab es in Feldkirch-Nofels einen spektakulären (dabei verhaspelte
sie sich ein wenig) Einsatz eines Sonderkommandos. In einem
Privathaus wurden angeblich Kinder gegen ihren Willen festgehalten und von
mehreren Polizisten befreit. Genaueres erfahren wir in ein paar Minuten. (Im
Hintergrund war eine männliche Stimme zu hören.) Bleiben Sie
dran!
Frau Bechtle stand auf, blickte durch einen Spalt aus dem
zugezogenen Vorhang ihres Küchenfensters und erschrak. Blaulicht war zu sehen,
und einige Menschen liefen auf dem kleinen Parkplatz des Nofler Bades umher.
Entsetzt nahm sie auf ihrem Stuhl Platz und blickte Antwort suchend ihr altes Radiogerät
an. Nach dem Verklingen des Liedes »Silver Bell« von Reinhold Bilgeri war
wieder die Stimme Helga Dünsers zu vernehmen.
Hier ist wieder Helga Dünser auf Radio Ländle
Welle, dem besten Sender mit der meisten Ländle-Musik.
In Feldkirch-Nofels wurden heute fünf
Kinder aus dem Keller eines Entführers befreit. Es handelt sich um eine Gruppe
Sternsinger … äh … Sänger …, die zwischen den Häusern in Nofels verloren
gingen. Eine Mutter schlug Alarm, als die Sänger nicht in ihrem Haus ankamen,
wo die Verwandtschaft auf den Besuch der Heiligen Drei Könige wartete. Das
Motiv der Entführung ist noch unklar. Allem Anschein nach sollen die Kinder
wohlauf sein. Psychologen kümmern sich um sie. (Im Hintergrund hörte man
eine Stimme, die »schneller« sagte.) Der Täter wurde in das
Untersuchungsgefängnis Feldkirch gebracht. Bleiben Sie dran! Radio Ländle Welle
informiert Sie, sobald wir mehr wissen. Und nun zu noch mehr Musik aus dem
Ländle.
In den nächsten Minuten war »Cold Night« von »Twist of Fate« zu
hören.
3. Jänner – Abend
Hier meldet sich wieder Radio Ländle
Welle mit Helga Dünser. Neues gibt es über den Entführungsfall zu berichten.
Vier
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