Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
wäre in der Tat die beste Lösung für die kommende Nacht. Aber natürlich verlangen wir das nicht von Ihnen. Dennoch sollten Sie Ihre Zimmertüren sorgfältig verschlossen halten.«
»Wie geht es denn jetzt überhaupt weiter?«, erkundigte sich Josef Brettschneider.
»Ganz einfach. Meine Kollegin und ich werden soweit wie möglich Spuren und Hinweise sichern. Morgen werden wir dann Kontakt mit den zuständigen Stellen in München aufnehmen und über die nächsten Schritte beraten. Möglicherweise werden weitere Polizeibeamte und die Kollegen von der Spurensicherung hier heraufkommen. Oder wir wagen alle gemeinsam den Abstieg ins Tal. Es geht also nur darum, diese eine Nacht zu überstehen.«
Daraufhin meldete sich Marion Hoiser zu Wort. Das heißt, zunächst ließ sie ein kurzes, hustenartiges Lachen hören, das ein gewöhnliches Pferdeschnauben bei Weitem übertönt hätte. »Den Abstieg ins Tal, ja? Morgen? Herrschaftszeiten, man merkt, dass Sie nicht von hier sind, Herr Wachtmeister. Wenn’s so weiterschneit wie heut, dann gehn Sie morgen nirgendwohin. Und dann kommt auch niemand hier rauf! Habens beim Aufstieg nicht den Kamm gesehen? Bei dem Schnee und mit so gut wie keiner Sicht ist das mörderisch, da entlangzugehen!«
»Ja, aber das gilt für das Hierbleiben genauso. Oder etwa nicht?«, sagte Richard Maurer.
Daraufhin schrien wieder alle laut durcheinander. Es war deutlich, dass die anfängliche Wut nun einem neuen Gefühl Platz machte. Angst. Minister Weidinger sprang von seinem Stuhl auf und fauchte Gabriel an: »Sie … Sie Hilfssheriff, Sie! Was tun wir denn, wenn wir morgen nicht wegkönnen? Bürgen Sie dann für unsere Sicherheit, oder was?«
Gabriel zuckte mit den Schultern. »Ich und meine Kollegin werden alles Nötige unternehmen. Aber ich schlage vor, dass wir darüber entscheiden, wenn es so weit ist. Jetzt und heute einen Aufstand zu machen, bringt uns nun wirklich nicht weiter.«
Daraufhin wusste der polternde Politiker auch nichts zu sagen. Mit einem erschöpften Stöhnen ließ er sich auf seinen Stuhl zurückfallen, griff nach der Schnapsflasche, füllte sein Glas und leerte es in einem Zug.
»Haben Sie noch Fragen?«, erkundigte sich der Kom missar.
Allgemeines Kopfschütteln. Schließlich meldete sich Ruth Maurer und fragte: »Wie geht es denn jetzt weiter, Herr Kommissar? Werden wir von Ihnen etwa heute Abend noch verhört?«
Gabriel sah sie verblüfft an, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, ganz bestimmt nicht. Denn ich für meinen Teil bin so müde, dass ich kaum noch die Augen aufhalten kann. Ich werde daher alsbald ins Bett gehen. Und Ihnen empfehle ich, dasselbe zu tun!«
Eine Sache gab es allerdings doch noch zu erledigen, bevor Gabriel seine müden Knochen ausstrecken konnte. Er bat Peter Weidinger und Josef Brettschneider nach oben in sein Zimmer, verschloss die Tür hinter ihnen und sagte: »Trotz Ihrer herausgehobenen Positionen sind Sie erstaunlicherweise ohne Personenschutz unterwegs, meine Herren. Ich gehe also davon aus, dass Sie Maßnahmen zu Ihrem Selbstschutz ergriffen haben?«
Während Brettschneider den Kommissar überrascht an sah, sagte Weidinger aggressiv: »Ja, allerdings. Und leider muss ich feststellen, dass das auch mehr als nötig ist.«
Gabriel seufzte. »Ich teile Ihre Einschätzung, Herr Minister. Aber es hilft nichts. Ich muss Sie bitten, mir Ihre Waffen auszuhändigen.«
Weidinger lachte höhnisch auf. »So weit kommt’s noch! Gar nichts werde ich Ihnen aushändigen!«
Gabriel blieb gelassen, auch wenn ihm das zunehmend schwerfiel. »Herr Weidinger, ich bin von Kriminalrat Baumgartner mit der Aufklärung dieses Falles beauftragt worden und damit befugt, alle mir nötig erscheinenden Maßnahmen zum Schutz der Anwesenden zu ergreifen. Dazu gehört, dass niemand hier im Hause über Waffen verfügt.«
»Ja, so sehen Sie aus, Sie norddeutscher Flachlandpolizist, Sie! Hier läuft einer herum und hat’s vielleicht auch auf mich abgesehen. Und da wollen Sie mir auch noch die Möglichkeit nehmen, mich meiner Haut zu wehren? Niemals! Wer sagt mir denn, ob der Übeltäter nicht auch bewaffnet ist?«
Gabriel stöhnte erschöpft auf. Die Diskussion erinnerte ihn an einen Artikel, den er kürzlich über die Waffendebatte in den USA gelesen hatte. Die Vertreter der Waffenlobby argumentierten ganz auf der Linie von Weidinger: Wenn die bösen Menschen Waffen hatten, waren die guten Menschen gut beraten, sich ebenfalls zu bewaffnen. Aber da zeigte sich
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