Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
doch das ganze Dilemma: Wer wollte entscheiden, wer ein guter und wer ein böser Mensch war?
Gabriel zuckte mit den Schultern und sagte: »Es ist ganz einfach, Herr Minister. Wenn Sie sich weigern, mir Ihre Waffe auszuhändigen, werde ich Sie über Nacht in Ihrem Zimmer einschließen.«
»Aber das ist doch …«
»… die einzige Wahl, die Sie mir lassen«, ergänzte Gabriel.
Brettschneider schaltete sich ein und sagte: »Er hat doch recht, Peter. Lass gut sein. Ich gehe jetzt in mein Zimmer und hole meine Schusswaffe. Auch wenn ich die sowieso niemals benutzen würde. Und du solltest dasselbe tun …«
Peter Weidinger starrte einige Sekunden mit einem seltsamen Gesichtsausdruck ins Leere. Dann richtete er sich plötzlich auf und sagte: »Ach, was soll’s. Ich kann mich notfalls auch so meiner Haut erwehren.«
Kurz darauf ging Gabriel wieder nach unten und betrat die privaten Wohnräume von Marion und Toni Hoiser. Bei sich trug er eine Walther P22 und eine kleine Taschenpistole von Beretta, Modell 950. Er bat den alten Mann, die Waffen in den hütteneigenen Waffenschrank zu sperren, wo sich bisher nur einige Jagdgewehre befanden. Anschließend übergab Toni Hoiser den Schlüssel an den Kommissar und sagte kopfschüttelnd: »Ja, mei. Wer häts des gedoacht, dass die hier heraufkumma, um sich gegenseitg umzubringn. Was sind des für Zoitn?«
Gabriel gab dem alten Mann seufzend recht. Was für Zeiten! Dabei könnte man die doch so viel besser verbringen, zumal bei der guten Verpflegung!
Als der Kommissar am nächsten Morgen erwachte, dachte er im ersten Augenblick, auch er wäre Opfer eines Überfalls geworden. Tot fühlte er sich zwar nicht gerade, aber auch nicht ganz weit davon entfernt.
Erst nach ein paar Sekunden wurde ihm klar, dass es nichts anderes als ein erbärmlicher, schmerzhafter Muskelkater war, was ihn so leiden ließ. Und zwar nicht nur in den Beinen, sondern im ganzen Körper.
Bauchkratzend und laut stöhnend richtete Gabriel sich auf und schob die Beine steif über die Bettkante. »Himmelherrgottnocheins, ich sag’s doch! Bergsteigen ist purer Masochismus«, knurrte er schlecht gelaunt.
Gabriel stand auf und versuchte eine vorsichtige Kniebeuge. Er kam zwar nur wenige Zentimeter weit, lächelte dann aber zufrieden und sagte: »Na also, geht doch schon wieder.«
Mit einem Handtuch um die Hüften begab sich Gabriel zur Dusche, die sich am Ende des Korridors in einem kleinen Badezimmer befand. Das heiße Wasser war unglaublich wohltuend, auch wenn man alle fünfzehn Sekunden auf einen Knopf drücken musste, um den Strahl nicht erlöschen zu lassen. Auf einer Berghütte war Duschen halt purer Luxus.
Während sich seine Nacken- und Rückenmuskulatur unter dem heißen Wasser allmählich entspannte, ließ Gabriel die vergangene Nacht Revue passieren. Obwohl er nach dem köstlichen Abendessen hundemüde gewesen war, hatte er keineswegs sofort in den Schlaf gefunden. Eine dringende Frage quälte ihn: Wie, um Himmels willen, schaffte Alois Meixner es, eine Velouté ohne Mehlschwitze herzustellen? Das war doch eigentlich gar nicht möglich! Die samtene Anmutung dieser besonderen Sauce war doch ohne Mehl oder Stärke niemals hinzubekommen! Sie bliebe wässrig oder würde fettig, zumindest aber würde sie dünn und ober flächlich schmecken! Oder unterschied genau so etwas einen Maestro wie Meixner von einem Hobbykoch wie ihm? Er würde zu Hause in seiner gut ausgestatteten Küche auf jeden Fall versuchen, das Kunststück nachzuvollziehen!
Irgendwann war er dann doch müde geworden. Doch einschlafen konnte er immer noch nicht. Diesmal war es ein seltsames Geräusch, das ihn aufhorchen ließ. Wenn er sich nicht ganz täuschte, kam es von oben aus dem zweiten oder dritten Stock der Hütte. Sehr seltsam, dachte er und stand noch einmal auf. Dort oben sollte doch eigentlich niemand sein! Da Gabriel keinen Schlafanzug dabeihatte, schlüpfte er wieder in Hose und Hemd und verließ leise sein Zimmer. Der Korridor der Hütte lag im dämmrigen Licht zweier schwacher Nachtlampen. Gabriel ging einige Schritte weit in den Flur. Da, wieder das Geräusch! Es schien tatsächlich aus einem der oberen Stockwerke zu kommen. Er stieg möglichst lautlos die Treppe hinauf. Er ärgerte sich, dass er seine Dienstwaffe im Zimmer zurückgelassen hatte. Auch wenn er nicht so schießwütig war wie einige seiner Kollegen, gab es doch Situationen, in denen er sich mit entsicherter Waffe wohler fühlte … Gabriel hatte den
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