Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
sieben.«
»Wahnsinn. Aber das beantwortet meine Frage noch nicht.« Sie grinste ihn an. »Oder ist Ihnen das zu privat?«
»Ach, Quatsch. Übrigens – wollen wir nicht Du sagen? Oder ist dir das zu privat?«
»Quatsch.« Sie grinste breiter und sah dann wieder auf die Straße.
»Fällt dir das Naheliegende nicht ein?«
»Oooh«, sagte sie und schlug sich gegen die Stirn. »Entschuldige bitte. Natürlich! Du bist schwul.« Sie lachte.
»Das bin ich nicht.« Seine Stimme war plötzlich scharf. »Lass solche Scherze bitte, die mag ich nicht.«
Sandra zuckte zusammen. »Hallo? So schlimm war das jetzt auch nicht. Außerdem – wer sagt denn, dass es als Scherz gedacht war?« Sie konnte auch anders.
»Du denkst also, ich bin schwul?« Jetzt war er heiser vor unterdrückter Wut.
Sandra schlug leicht aufs Lenkrad. »Natürlich nicht, herrje. Das war einfach nur ein blöder Spruch. Wenn ich gewusst hätte, dass du so empfindlich bist, hätte ich natürlich gar nichts gesagt.«
»Entschuldige bitte.« Sebastian räusperte sich. »Ich hab wohl ein wenig überreagiert. Aber wenn man nicht schwul ist, will man auch nicht für schwul gehalten werden. Ich kenne jedenfalls niemanden, der das will.«
»Wahrscheinlich nicht. Wobei es ja auch nicht schlimm ist. Ich habe viele Freunde, die schwul sind, und ganz ehrlich, die sind mir teilweise lieber als Nichtschwule.«
»Tatsächlich? Können wir jetzt bitte das Thema wechseln?«
»Ist ja schon gut.« Sie gab Gas und fuhr in Richtung Polizeidienststelle. Sebastian war ja ganz schön spießig. Das hätte sie von ihm gar nicht erwartet. Die Lust auf einen Flirt mit ihm war ihr gründlich vergangen.
•
Gabriel ging langsam durch hoch gewachsene Gräser an der Klostermauer entlang, während die Sonne ihm immer heißer auf den Kopf brannte. Er würde bald einen Sonnenstich bekommen. Bestimmt war sein Gesicht schon krebsrot.
Gleich nachher kaufe ich Sonnencreme, dachte er, während er langsam weiterging. Ab und zu kam er an Türen vorbei, doch sie waren alle verschlossen. Die Frau schien ihren Job sehr ernst zu nehmen. Unter einem der Fenster befand sich ein Baumstumpf, und Gabriel kletterte hinauf und versuchte, durch das schmutzige und blinde Fenster etwas zu erspähen. Das Einzige, was er sah, waren Spinnweben, die innen an der Scheibe klebten und die Sicht ins Innere verwehrten. Hier schien tatsächlich seit Jahrzehnten nichts mehr passiert zu sein. Schade, wirklich schade.
Nachdenklich blieb er stehen. Was hatte die Frau eigentlich in dem alten Gemäuer gemacht? Was gab es da zu schauen? Und warum war sie so gehetzt dahingehuscht und so giftig zu ihm gewesen? Obwohl er gar nicht wie aus dem Nichts aufgetaucht war, sondern wie ein ganz normaler Spa ziergänger gewirkt haben musste, hatte sie sein Auftauchen offensichtlich erschreckt. Dabei war ein Mann mit einem Labrador nun wirklich nichts Außergewöhnliches, auch wenn es zum Spazierengehen heute fast zu heiß war. Er sprang vom Baumstumpf und bemerkte, dass er überhaupt nicht gelenkig war. Schon dieser kleine Hopser schmerzte in seinen Knien.
Und dann sah er die kleine Tür. Zufällig eher, weil er dicht an der Mauer entlangging. Vor ihr wuchs meterhohes Unkraut, sodass man sie von Weitem fast nicht sehen konnte. Sie war niedriger als die anderen, an denen er vorbeigekommen war. Er ging näher und bückte sich. Dann begann er, an der Klinke zu rütteln.
Er wusste selbst nicht warum, aber plötzlich wollte er unbedingt hinein in das Kloster.
Aber auch diese Tür war verschlossen.
•
»Ich kann natürlich auch in München anrufen«, sagte Sandra zuckersüß, »und Sie dann mit der entsprechenden Person verbinden. Wir können das aber auch auf dem kleinen Dienstweg erledigen.«
Schmellbach-Wahl schaute sie zornig an. »Hier ist kein Platz. Außerdem – wo kommen wir denn hin, wenn hier dauernd externe Kollegen hereinschneien, sich wichtigmachen und uns unsere Räume wegnehmen?«
»Ich glaube nicht, dass man in München begeistert sein wird, wenn ich erzähle, dass Sie sich weigern, mir hier ein paar Quadratmeter und ein Telefon zur Verfügung zu stellen.« So schnell ließ sich Sandra nicht die Butter vom Brot nehmen.
Jetzt schnaufte Schmellbach-Wahl und schien nachzudenken.
»Neben der Teeküche«, sagte er dann. »Da ist ein kleiner Raum. Da können Sie von mir aus rein.«
»Wie schön.« Sandra lächelte ihn dankbar an.
Schmellbach-Wahl würde nicht ihr Freund werden, aber damit konnte sie leben.
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