Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
sie auch noch zu heulen wie ein Kojote. So hatte Gabriel das Tier noch nie erlebt. Mutter musste dringend Wasser bekommen.
Die Frau drehte sich rasch um, und nun endlich konnte Gabriel hören, was sie sagte: »Was weiß denn ich, was das für ein Köter ist.«
Ein Hoch auf den Kräutergarten, dachte Gabriel. Die werde ich mir doch mal zur Brust nehmen.
»Seit wann ist es denn verboten, in einem unbenutzten öffentlichen Garten Kräuterbeete anzulegen?«, fragte die Frau schnippisch.
»Das ist gar nicht verboten«, sagte Gabriel. »Das habe ich auch gar nicht behauptet. Ich habe Sie lediglich gefragt, warum Sie sich um den Garten kümmern.«
»Das geht Sie nichts an.« Der Frau war das Gespräch unangenehm, das merkte Gabriel sofort. Sie war Mitte fünfzig und hatte, soweit man das unter der Haube erkennen konnte, braunes, grau gesträhntes Haar. Mit ihren braunen Augen blickte sie sich immer wieder hektisch um, sie war dünn und hatte lange, magere Finger, die sie ständig aneinanderrieb oder knacken ließ, was Gabriel unerträglich fand.
»Es interessiert mich«, sagte Gabriel höflich. »Wissen Sie, in diesem Teich sind kürzlich zwei tote Menschen gefunden worden, und wenn Sie sich öfter hier aufhalten, dann haben Sie vielleicht etwas mitbekommen, was uns interessieren könnte.«
»Ich kümmere mich nur um die Kräuter«, sagte die Frau giftig. »Ich gehöre nicht zu den Leuten, die herumspionieren.«
»Wer hat denn etwas von herumspionieren gesagt?«, wunderte sich Gabriel, der immer misstrauischer wurde. War denn im Dorf nicht bekannt, dass irgendeine Frau in dem unbewohnten Kloster den Garten pflegte? Das mussten die Leute doch wissen. Aber die wollten wahrscheinlich gar nichts wissen. Oder sie wollten das, was sie wussten, ungern mit der Polizei teilen. Da war ein Stift, den man wiederhaben wollte, doch wichtiger.
So jedenfalls war der missmutigen Frau nicht beizukommen. Er musste offizieller werden.
»Ich sagte Ihnen schon, dass ich von der Polizei bin«, erklärte er. »Und wir sind auf die Mitwirkungspflicht der Bürger angewiesen. Sie scheinen sich öfter hier aufzuhalten, da liegt es doch nahe, dass Sie etwas gesehen oder gehört haben.«
»Hab ich aber nicht«, fuhr die Frau ihn aggressiv an und knackste erneut mit den Fingern.
Gabriel wechselte das Thema. »Wieso haben Sie diesen Garten, nutzen Sie die Kräuter vielleicht kommerziell?«
»Auch das geht Sie nichts an.«
»Hören Sie mal«, sagte Gabriel, der nun sauer wurde. »Ich könnte mir jetzt irgendwas Nettes einfallen lassen, das mich dazu berechtigt, Sie in die Dienststelle zu bestellen.«
»Bitte, machen Sie nur«, keifte die Frau nun schnippisch. »Ich werde auch dort sagen, dass ich nichts gesehen habe.«
»Aber Sie haben was gesehen?«, versuchte Gabriel es noch mal.
»Nein, nein und nochmals nein. Und jetzt sage ich nichts mehr.«
Gabriel hätte sie am liebsten gepackt und geschüttelt, um irgendetwas aus ihr herauszubekommen. Diese Frau war ihm unsympathisch, und er verstand einfach nicht, warum sie so stur blieb. Jetzt knackste sie schon wieder mit den Fingern. Es war grauenhaft.
»Was haben Sie vorhin in dem Gebäude gemacht? Laut Aussage eines Ortskundigen wohnt hier seit circa fünfzig Jahren niemand mehr«, bohrte er erneut nach.
»Um Ihre Neugierde zu befriedigen«, Knacken, »ich arbeite als Köchin bei den Schwestern des Marialob-Ordens und wohne dort oben im Kloster Marienhöhe, ein paar Kilometer von hier entfernt. Ich kümmere mich ehrenamtlich um das leer stehende Kloster, und darum habe ich den Kräutergarten wieder auf Vordermann gebracht. Die Kräuter benutze ich natürlich zum Kochen. Es wäre doch schade, wenn sie hier vergammeln. In unserem Kloster ist der Boden nicht so gut wie hier, und außerdem macht mir die Gartenarbeit Spaß. Ich bin heute hier, weil ich gießen wollte, was ich auch getan habe. Und ich gehe hin und wieder auch in dieses alte Gebäude, um für mich zu sein. Genügt Ihnen das jetzt?«
»Vorerst ja.« Gabriel nickte, weil er den Bogen nicht über spannen wollte.
»Dann kann ich ja jetzt gehen.« Sie nickte ebenfalls und knackste, was ihm in den Ohren wehtat. Fast so schlimm wie früher in der Schule, wenn die Kreide an der Tafel quietschte. Nicht zum Aushalten.
»Auf Wiedersehen. Falls wir noch Fragen haben – darf ich noch kurz um Ihren Namen bitten?«
»Welche Fragen?« Jetzt war sie wieder reserviert. »Ich habe doch gerade alle Ihre Fragen beantwortet.« Sie tat so, als
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