Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
Sandra wollte es gar nicht glauben – die Bestellformulare per Post dort hinschicken. Dann kam irgendwann der beantragte Blei stift, falls eine gewisse Frau Lang-Sahm, die ihrem Namen alle Ehre machte, mal nicht wegen ihres schubweise auftretenden Rheumas zu Hause saß und sich wahrscheinlich ins Fäustchen lachte.
»Na, hast du dich schon bei uns eingelebt?« Sebastian stand mit einem kleinen Karton in den Händen in der Tür und lächelte. Sandra musste zugeben, dass er wirklich sehr gut aussah. Hätte er vorhin nicht so doof auf den Spruch über Schwule reagiert, Sandra hätte sich gut vorstellen können, mit ihm mehr als ein Bier trinken zu gehen.
»Danke«, sagte sie kurz. »Es ist ein bisschen kompliziert, Blöcke und Stifte und einen Locher aufzutreiben, aber alles in allem kann ich nicht klagen. Das Telefon funktioniert zumindest. Das ist ja eigentlich das Wichtigste.«
»So was hab ich mir schon gedacht.« Sebastian grinste und betrat den Raum, um den Karton auf dem Sechzigerjahre-Schreibtisch abzustellen. »Hier hast du alles, was du erst mal brauchst.«
»Oh, danke«, sagte Sandra. »Super. Sogar Textmarker und Eddingstifte.«
»Ja, ja«, Sebastian nickte ernst. »In Tutzelwang gibt’s sogar Eddingstifte. Wir haben auch keine Modems mehr.«
Aber elektrische Schreibmaschinen, dachte Sandra sarkastisch, sagte aber nichts. »So war das nicht gemeint«, entschuldigte sie sich stattdessen und packte aus.
»Ich wollte mich wegen vorhin entschuldigen«, sagte Sebastian dann. »Es ist nur so, dass ich während der Ausbildung von einem schwulen Kollegen monatelang angebaggert worden bin. Und der wollte einfach nicht kapieren, dass ich eben nicht schwul bin. Er war persönlich beleidigt, und das hat mich einfach genervt. Deswegen hab ich überreagiert.«
»Kann ich verstehen. Okay, Schwamm drüber.«
Sebastian setzte sich auf den wackligen Besucherstuhl, der seine besten Jahrzehnte längst hinter sich hatte.
»Was habt ihr jetzt vor? Was steht an? Kann ich euch helfen?«, fragte er interessiert.
»Ist der Kurti denn nicht sauer, wenn du bei uns mitarbeitest?«, fragte Sandra süffisant.
»Der Kurti ist immer dann sauer und genervt, wenn’s hier mal mehr zu tun gibt als sonst. Und das ist gewöhnlich nichts. Doch, manchmal geht er mit Erstklässlern den Schulweg ab, um sie auf die Gefahren des Straßenverkehrs hinzuweisen. Es ist nur so, dass es hier so gut wie keine Gefahren gibt. Wir haben ja noch nicht mal eine gefährliche Durchgangsstraße oder so. Aber an solchen Tagen fühlt der Kurti sich unglaublich wichtig.«
»Verstehe. Tja, ich werde jetzt mal in der Firma von Reifenberger und Debus vorbeifahren.« Sie hatte Schmellbach-Wahl vorhin gebeten, die Mitarbeiter zu benachrichtigen, sie sollten vor dem versiegelten Gebäude warten.
»Was gibt es denn da zu fragen?«
»Äh …« Sandra schaute ihn entgeistert an. »Es gibt zwei Leichen, schon vergessen? Da liegt es wohl nahe, mit den Mitarbeitern ihrer Firma zu sprechen.«
Sebastian zuckte mit den Schultern. »Wenn du meinst.« Er stand auf. »Das wird aber nicht viel bringen.«
Sandra erhob sich ebenfalls. »Das werden wir ja dann se hen.« Sie schüttelte unmerklich den Kopf und ging an Sebas tian vorbei.
»Wenn ich’s doch sage!«, rief er ihr hinterher. »Ich kenn die Leute hier besser als du. Die sagen nur was, wenn sie wollen.«
Und du sagst jetzt besser nichts mehr, sonst sag ich dir mal so richtig meine Meinung, dachte Sandra wütend und ging durch die Hitze zum Auto.
Warum sollten die Leute denn nichts sagen wollen? Was war denn das hier für ein Ort? Das wurde ja immer merkwürdiger.
•
Meine Güte, dachte Gabriel, das ist doch nicht zu fassen!
Er sah sich mit offenem Mund um und traute seinen Augen nicht. Unten im Keller hatte er nach ungefähr fünf Metern vor einer schweren Eisentür gestanden, die nur angelehnt war. Auch hier befand sich ein Lichtschalter, und auch hier gab es Licht. Aber hier gab es noch mehr.
Backsteinmauern, an denen eiserne Handschellen und Ketten unterschiedlicher Dicke und Länge hingen. Ein eiserner Käfig, der von der Decke baumelte. Ein Pranger aus Holz. Ein Kreuz mit Ösen. Verschiedene Peitschen und Stöcke, die in Halterungen an der Wand befestigt waren. Eine Art Bock, auf dem man jemanden fixieren konnte. Auf einem Holztisch diverse Zangen und andere Gerätschaften, die nichts Gutes verhießen. Und in der Mitte des Raums eine Streckbank, auf die Gabriel sich nun langsam sinken ließ.
Eine
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