Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
Jetzt würde sie sich dort erst mal einrichten, dann die Ehefrauen zur Dienststelle beordern, und dann, hatte sie sich überlegt, würde sie mal ins Maklerbüro fahren. Und zwar unangemeldet. Sebastian hatte ihr erzählt, dass es da zwei Sekretärinnen gab, und die wollte sie sich mal vorknöpfen. Und wenn der Chef auftauchte, konnten sie sich gemeinsam den beiden Witwen widmen. Alles der Reihe nach. Auf gar keinen Fall wollte sie, dass Schmellbach-Wahl oder seine Kollegen sich in die Ermittlungen einmischten. Das würde nur Durcheinander geben, und Durcheinander hatten sie schon genug.
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Gabriel hatte ein schlechtes Gewissen.
Erst klau ich eine Kamera, und dann brech ich auch noch eine Tür auf, dachte er und schwor sich, den Schaden in jedem Fall zu bezahlen. Aber vielleicht war es doch besser, er sagte gar nichts, denn das war ja so was wie Hausfriedensbruch, auch wenn hier längst niemand mehr wohnte. Er hätte einen Durchsuchungsantrag stellen müssen, aber das hätte ihm zu lange gedauert. Ach, er hatte einfach keine Lust auf diese Bürokratie.
Außerdem gibt es Schlimmeres als eine alte, kaputte Tür, redete er sich ein. Er würde einfach dafür sorgen, dass sie repariert wurde, damit keine Tiere ins Gebäude kamen.
Er sah sich um. Himmel, war das herrlich kühl hier drin, obwohl es muffig roch. Die kleine Tür hatte ihn direkt in die ehemalige Klosterküche geführt. Mannomann, die war ja riesig! Wie viele Leute hier wohl täglich bekocht worden waren? Begeistert betrachtete er den alten gusseisernen Herd mit den acht Kochstellen und dem Backofen darunter, der wohl noch mit Kohlen oder Holz betrieben wurde. In der Mitte der Küche befand sich ein riesiger langer Holztisch, daneben standen Bänke. An den Wänden hingen sehr viele Schränke, und nun hatte Gabriel die Neugierde gepackt. Er öffnete einen nach dem anderen und hoffte, irgendwas Inter essantes zu finden. Vielleicht einen alten Kupfertopf oder so, den er mitnehmen könnte.
Halt!, schimpfte er mit sich. Übertreib es nicht mit deiner plötzlichen kriminellen Energie. Wenn hier ein Kupfertopf gefunden wird, bleibt er schön hier.
In den Schränken befand sich fast gar nichts mehr. Er entdeckte ein mottenzerfressenes Geschirrtuch, eine alte Suppenkelle und ein paar angestoßene Gläser. Nichts Spektakuläres.
Gabriel genoss die Kühle und beschloss, sich noch ein bisschen weiter umzuschauen. Wenn er schon mal hier war, wollte er auch möglichst viel sehen. Er verließ die Küche und begab sich in einen breiten Flur, von dem diverse Türen abgingen. Dahinter befanden sich Räume mit alten Bettgestellen und Schreibtischen, vermutlich waren das die Schlafzimmer oder Zellen der Nonnen. Auch hier war nichts Besonderes zu sehen, nur ein paar Holzkruzifixe, die in manchen Zimmern hingen.
Er wusste eigentlich auch gar nicht, was er hier zu finden hoffte, von Kupfertöpfen mal abgesehen. Ihn interessierte nur, was die schlecht gelaunte Frau hier wohl gemacht hatte. Sauber ganz offensichtlich nicht. Na ja, vielleicht hatte sie einfach nur überprüft, ob so weit alles okay war, ob es reingeregnet hatte oder sonst was. Dann könnte er jetzt auch gehen. Mutter machte sich bestimmt schon Sorgen.
Trotzdem ging Gabriel weiter. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass es hier doch noch etwas gab, was ihm in diesem Fall irgendwie weiterhelfen konnte.
Gute Güte, war das Kloster riesig. Die breiten Flure, die vielen kleinen Zimmer rechts und links. Dann kam er in einen größeren Raum und vermutete stark, dass das steinerne Gebilde am anderen Ende ein Altar war. Alles atmete Alter, Geschichte, Vergangenheit.
Die Kühle tat ihm so unglaublich gut, dass er am liebsten gar nicht mehr gegangen wäre. Aber da war noch eine weitere Tür, und er öffnete sie. Vor ihm lag der Anfang einer geschwungenen Steintreppe, die nach unten führte. Links von ihm befand sich sogar ein Lichtschalter aus Bakelit. Obwohl Gabriel sicher war, dass es hier keinen Strom mehr gab, drehte er ihn. Und wunderte sich, dass es unten an der Treppe hell wurde.
Da wollen wir doch mal sehen, ob es im Keller noch kühler ist, dachte Gabriel und hielt sich am niedrigen Geländer fest. Die Stufen waren schmal, und er musste höllisch aufpassen, nicht abzurutschen. Das fehlte noch, dass er im Klosterkeller stürzte, wo ihn niemand fand. Dort würde er langsam verrotten.
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Himmel, war das bürokratisch hier. Büromaterial wurde von der Zentrale in Traunstein geliefert, und man musste –
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