Mordsdeal
Meistens erkennt man erst, was man am Partner hatte, wenn er nicht mehr da ist. Wie oft hatte sie Heiner verwünscht, und wie oft hatte sie schlimme Gedanken gehabt, was ihn und Hilla betraf. Sie hätte wer weiß was machen können. Nun war alles vorbei und ausgestanden.
Sie hatte sich lange mit Hilla unterhalten, die aber immer wieder ausgewichen war, wenn die Sprache auf Heiner kam. Es war Hilla wohl unangenehm, die wenigen guten Gefühle über ihn mit ihr zu teilen.
Gitti brauchte dringend frische Luft und ihre blasse Schwester ebenfalls. Sie schlug vor, ein wenig nach Draußen in den Garten zu gehen. Hilla führte sie durch den Seitenausgang. Der Rasen glich einer grünen Filzdecke und mitten im Blumenbeet standen prachtvoll die heimischen Pflanzen wie Distel, Schachtelhalm, Brennnessel, Quecke und Wegerich. Hilla war die Hüterin der Unkräuter. Wenn der Garten wirklich die Seele des Besitzers widerspiegelte, dann wusste Gitti, wie es in Hillas Innerem aussah. Und in ihrem? Sie sah Hilla an, die sie untergehakt hatte. Irgendwie ertrug sie die körperliche Nähe ihrer Schwester nicht und dann – in ihrer Trauer – doch wieder. Ihre Gedanken hüpften hin und her.
Nach kurzer Zeit verabschiedete sie sich und umarmte Hilla. Über deren Rücken hinweg sah sie zu einer blühenden Pflanze, die ihr vorhin im Wildkrautschock nicht aufgefallen war. Es schien kein Unkraut zu sein, sie war auch nicht hoch, hatte aber riesengroße, gezackte Blätter an dunkelroten Stängeln.
Gitti löste sich und zeigte darauf.
»Ach, die Arme, die muss hier elendig umkommen. Du solltest sie unbedingt vom Unkraut befreien, damit sie nicht erstickt.«
Hilla sah Gitti wie eine soeben Erleuchtete an. Ihr war die Sofortlösung erschienen. Sie stolperte in den Schuppen, es rumste, schepperte und klopfte und nach unendlich langen Minuten kam sie nicht wie das A-Team mit einer neu konstruierten Maschine gegen Fieslinge heraus, sondern hielt triumphierend ihre rostige Kinderschaufel hoch, die diesmal ausnahmsweise ihr selbst gehörte. Gitti hatte es am kaputten Griff erkannt. Sie machte sich ans Werk.
Gitti rief immer wieder: »Pass auf, du kommst an die Wurzeln!« und »Du knickst den Stängel ab!«, doch dann hielt Hilla ihr die arg ramponierte Pflanze entgegen.
»Hier! Schenke ich dir. Bei dir ist sie besser aufgehoben.«
*
Mia hatte darauf bestanden, dass Romeo die Beine hochlegte und das Hemd öffnete. Sie ließ ihn schweigen und holte ein Glas Wasser. Durch das Küchenfenster sah sie, dass Sameja im Anmarsch war. Vielleicht schaffte sie es, Romeo zu beleben.
Mia öffnete die Tür und umarmte sie herzlich. Sameja bedankte sich mit ihrem schönsten und wärmsten Lächeln. Wenn sie Romeo das zeigte, würde es ihm schlagartig gut gehen.
Mia zeigte auf die offen stehende Wohnzimmertür, Sameja blieb davor stehen: »Oh, du hast Besuch?« Trotz ihrer Bräune meinte Mia, Rot zu erkennen. »Ich möchte nicht stören. Ist heute nicht Dienstag? Habe ich da was verwechselt?«
»Halt, hier geblieben!« Mia zog Sameja sanft am Fledermausärmel der weißen, fast durchsichtigen Folklorebluse. »Das ist Romeo, Gittis Sohn. Er wollte die Trödelsachen abholen.«
Die beiden Frauen traten vor die Couch. Romeo sprang auf, hielt sich kurz den Kopf und lächelte verlegen. Dann schloss er die Knöpfe seines Hemdes wie eine schüchterne Jungfrau.
»Tja, also, ich muss dann.«
»Nix da, du bleibst. Wieso wollt ihr jetzt alle gehen?« Sie stellte Sameja kurz vor, sagte, dass diese auch in Rheinberg trödelte, und besah sich das Pärchen. »Jetzt, wo es gemütlich wird, trinken wir erst einmal eine starke Tasse Kaffee.« Mia verschwand in der Küche und träumte von Bodos und ihrem ersten Treffen.
*
Die Romantik hielt jedoch nicht lange an. Zu schnell sprachen sie wieder über Heiners Tod. Während Mia in der Küche Kaffee kochte und brauchbare Plätzchen zusammensuchte – Verfallsdatum 1903? Wo hatte sie nur ihre Brille? – hörte sie, wie Romeo das Gespräch wieder begonnen hatte. Anstatt sich mit Sameja über gemeinsame Hobbies zu unterhalten, fragte er, wie sie den Trödeltag mit Heiner erlebt habe, ob ihr an seinem Verhalten etwas aufgefallen sei.
Mia kam gerade rechtzeitig zurück, verteilte in Hochgeschwindigkeit die Teller, Tassen und Löffel, goss den Kaffee ein und beteiligte sich an der Rückblende.
»Er war den ganzen Tag sehr gereizt«, sagte Sameja.
»Ist er immer«, verbesserte Mia.
»… lief ständig hin und her, hielt sich
Weitere Kostenlose Bücher