Mordsdeal
bedenklich kurzer Zeit mit wehenden Fahnen angelaufen kam, hörte es sich so an, als läge Heiner in den letzten Atemzügen. Hilla ließ sich, vom Erzählten erschöpft, auf den Klappstuhl fallen und warf ihren Oberkörper heulend über den blank geräumten Tapeziertisch, der in der fast leeren Halle mit einem lauten Getöse zusammenbrach. Hillas Daumen blutete. Mia hatte einen alten Verbandskasten im Angebot. Das Leukoplast reichte sogar für den Tisch, der sich etwas gebrochen hatte.
Die drei Frauen waren ratlos. Was sollten sie jetzt machen? Warten? Ging nicht, bald wurden die Türen der Messehalle geschlossen. Besser war es, die Kartons mit Heiners und Gittis Sachen auf drei Autos zu verteilen. Mia ergriff zuerst die Initiative. Wenn sie umräume, schlug sie vor, passe noch etwas in ihren Beauty auf den Beifahrersitz und auf die Rückbank, vielleicht sogar neben Waldi und die Klorolle. Sameja bot an, das Faltdach ihrer Ente offen stehen zu lassen und den Tisch und sperrige Dinge zu transportieren, auch wenn sie wusste, dass so die Gefahr bestand, dem Tod durch Erfrieren zu erliegen. Hilla zögerte noch. Mia teilte sie für die Mitnahme der unzerbrechlichen Dinge ein, die sie extra aussortierte, und verlud sie sicherheitshalber selbst.
Im Konvoi fuhren sie nach Krefeld zu Mia und luden alle Kartons und Gegenstände in den Keller, wo sie erst einmal gut und sicher standen.
Auf den Schreck mussten sie erst einmal einen trinken. Mia schüttete grünen Tee auf und zog wenig später mit ihm ins Wohnzimmer. Bis der Tee so weit war, ging sie zum Arzneischrank und holte eine Flasche Cognac heraus, der so ziemlich die einzige Medizin war, die sie besaß – abgesehen von den Kopfschmerztabletten. Beides nahm sie wohldosiert.
Sie stießen auf die Gesundheit an und auf Heiners Genesung. Hilla ließ ihren Autoschlüssel fallen und bückte sich danach, stieß beim Hochkommen gegen die Tischkante. Schnell rieb Mia der verdutzten Hilla ein wenig Cognac auf die Beule. Altes Hausrezept, erklärte sie.
Das Handy klingelte. Drei Frauen wühlten in ihren Taschen. Keine von ihnen kannte den aktuellen Klingelton.
Mia drückte auf das grüne Symbol und sprach mit Gitti.
Ein paar Mal nickte Mia mit dem Kopf, dann schüttelte sie ihn.
»Heiner ist tot«, flüsterte sie.
8
Romeo hatte zwei Tage später bei Mia angerufen und sie gefragt, ob es ihr recht sei, wenn er gleich die Trödelmarktsachen seiner Eltern abholen würde.
Er hatte traurig geklungen. Kein Wunder, einen Elternteil zu verlieren war immer ein großer Verlust, egal, wie alt Vater oder Mutter waren und wie alt man selbst war. So hatte Mia ihm versichert, es würde ihr nichts ausmachen, wenn die Sachen noch länger bei ihr stünden, sie fräßen ja kein Brot. Ein dummes Beispiel, aber ihr war kein besseres eingefallen. Kaum hatte er aufgelegt, klingelte es auch schon an der Haustür, und erst jetzt war Mia klar, wie eilig es ihm wirklich war.
»Meine Güte, wie die Zeit vergeht. Wie lange habe ich dich schon nicht mehr gesehen.« Mia pfiff sich zurück. Sie benahm sich wie ihre Tante im Altenheim. Fehlte nur noch, dass sie sagte: »Nein, bist du groß geworden. Ich weiß noch, wie ich dich früher immer auf den Arm genommen habe. Jedes Mal waren deine Windeln gestrichen voll.«
Romeos Haare kamen ihr einen Tick dunkler vor als früher. Eine interessante Farbe. Es sah aus wie Kupfer. Zusammen mit dem Indigoblau seiner Augen besaß das Gesicht Ausstrahlung. Das hatte er nicht von Heiner – auch nicht von Gitti. Sicher konnte Romeo sich vor Freundinnen kaum retten.
»Frau Magaloff …«
»Oh nein, bitte nicht. Junge, ich bin erst 43 geworden. Da darfst du ruhig Mia zu mir sagen, und wenn ich dich duze, erst recht.«
Romeo kniff sich ein Lächeln ab. »Dann komme ich am besten gleich zur Sache. Ich brauche dringend deine Hilfe – Mia. Ich bin da in eine schreckliche Lage geraten. Ich weiß nicht mehr weiter. Ich …«
Mia fiel ihm ins Wort. Sie konnte sich denken, worum es ging. »Ich helfe dir, wo ich kann. Aber hast du es mal bei einer Selbsthilfegruppe versucht? Im Internet gibt es jede Menge Adressen dafür.«
Romeo hatte zuerst gelächelt, als sie sagte: »Ich helfe dir, wo ich kann«, aber als er die nachfolgenden Sätze gehört hatte, senkte er wieder den Kopf. »Dafür gibt es keine Selbsthilfegruppe und die Polizei kümmert sich erst, wenn …«
»Na ja, wenn die das jetzt auch noch machen müssten, überleg mal, wie viele Leute tagtäglich einen
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