Mordsdeal
zwischendurch den Bauch.«
»Macht er immer.« Mia war schon einen Schritt weiter. »Abgesehen von dem, was sich bei ihm ständig wiederholte, wenn er in Rheinberg trödelte, als da war: die Besucher zusammenstauchen, ständig rauchen, viel Cola trinken, Suppe essen, mit Gitti streiten, gab es an dem Tag etwas Besonderes. Ein Junge war an den Stand gekommen, und nachdem dein Vater ihn wegschicken wollte, beschoss er ihn mit einem Plastikflugzeug.«
»Ja, genau«, bestätigte Sameja. »Das war ja grausam, es vor seinen Augen zu zerdrücken. Da hätte er sich ausnahmsweise einmal beherrschen sollen.«
Romeo fühlte sich irgendwie dafür verantwortlich, es war ja schließlich sein Vater: »Das tut mir leid, dass es so gekommen ist. Ich weiß auch nicht …«
»Na ja, er wurde sofort dafür bestraft«, beschwichtigte Mia. »Beim Zerdrücken bohrte sich ein Stück Draht in seine Hand.«
»Stimmt. Ich sehe noch seine blitzenden Augen und wie er auf den Jungen losgegangen ist. Nur gut, dass wir dazwischengegangen sind.« Sameja zeigte in der Luft, wie sie ihren Würgegriff für wahnsinnige Männer anlegte. Romeo sah das nicht gerne.
Mia verkniff sich aus Pietätsgründen ein Lachen.
»Moment!«, rief sie und sprang ein Stück hoch. »Ich habe neulich eine Fernsehsendung über einen Schweizer Physiker gesehen.«
»Wollte der auch auf einen Jungen losgehen?«, fragte Sameja, die Mias wilde Denkkombinationen noch nicht kannte.
»Nein, aber dieser Physiker hatte als Kind immer gerne Papierflieger gebastelt und nie verstanden, warum sie nicht so weit flogen. Da er sich ja mit den Naturwissenschaften auskannte, wollte er zumindest als Erwachsener hinter das Geheimnis kommen. Er baute einen Windkanal und …«
»Entschuldige, Mia, wenn ich jetzt nicht so ganz folgen kann. Was hat das mit Heiner zu tun?«, fragte Sameja.
Mia rutschte auf ihrem Sessel hin und her, es sah aus, als sei sie auf dem Sprung zu irgendwas.
»Nichts.« Sie blickte zu Romeo und bemerkte, wie er nur Augen für Sameja hatte.
»Die Sendung ging ja noch weiter. Der Physiker erzählte dann von den Chinesen.«
Sameja stöhnte auf.
»Moment! Die Chinesen haben früher Papierflieger gebaut, an deren Spitze sie giftige Pfeile steckten. Auf diese Art brachten sie ihre Gegner um. Kommt mit!« Das war der Startschuss. Mia sprang auf und lief in den Keller, wo sie die Trödelkartons von Gitti und Heiner aufbewahrte. Unter anderem stand dort auch der Abfallkarton, den sie in der Eile nicht mehr zum Container bringen konnten.
Sameja und Romeo liefen hinterher.
Mia drängte sich an ihren Skulpturen vorbei und bat die beiden, Obacht zu geben, damit sie sich nicht verletzten.
Sehr schnell entdeckte sie den richtigen Karton und wühlte. Sie fand Schokoladen-, Zellophan-, und Zeitungspapier, zwei leere Colaflaschen, und da war endlich das zerdrückte rote Plastikflugzeug. An der Spitze schaute ein Stück Draht hervor. Mia ließ sich ein Blatt Küchenrolle geben, das sie im Kelleratelier immer bereitstehen hatte, und wickelte das Corpus delicti darin ein. Sie behandelte es wie einen wertvollen Schatz.
Romeo umarmte Mia überschwänglich und Sameja noch überschwänglicher, dann trat wieder Ruhe ein.
»Und jetzt?«, fragte er.
Auch Mias Euphorie hielt sich auf einmal in Grenzen. Noch war nichts bewiesen. Sie schlug vor, er solle damit zur Kommissarin fahren, vielleicht reiche das ja für einen Anfangsverdacht aus. Versprechen könne sie aber nichts.
»Dann ist es wohl besser, ich nehme jemanden mit, der sich damit auskennt und Überzeugungskraft besitzt. Mit welchem Wagen fahren wir, mit deinem oder mit meinem? Wann hast du morgen früh Zeit?«, fragte Romeo Mia.
Sameja hatte sich verabschiedet und wünschte den beiden viel Erfolg. Sie bat Romeo um seine Handynummer, damit sie sich erkundigen konnte, was aus der Sache geworden war. Normalerweise hätte sie dies auch von Mia erfahren können, aber sie wusste schon, warum sie es tat.
9
Kaum hatte Mia das Polizeigebäude in Wesel gesehen, wurde es ihr mulmig zumute. Mehr als einmal war sie wegen Waldemar hierhin gefahren, hatte mit Kommissarin Lilo Schütz gesprochen und versucht, Informationen aus ihr herauszukitzeln. Die Kommissarin hatte sie manches Mal in Bedrängnis gebracht, weil ihr Spürsinn dem eines Drogenhundes glich, nur dass sie auf die Machenschaften der Menschen trainiert war. Die Straftäter hatten bei ihr nichts zu lachen, nur: sie zählte sich nicht dazu, bei ihr konnte die Kommissarin
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